Innovatives Screening-Verfahren deckt Neurotoxizität von Chemikalien auf

Durch | August 13, 2025

Von den weltweit etwa 350.000 kommerziell verfügbaren Chemikalien ist kaum bekannt, welche potenziell neurotoxisch wirken und das Gehirn, insbesondere in der Entwicklung, schädigen könnten. Bisher fehlten effiziente Testverfahren, da herkömmliche Methoden zeitaufwendig, kostspielig und meist mit Tierversuchen an Ratten oder Mäusen verbunden sind. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) hat nun ein Hochdurchsatz-Screening-Verfahren mit Zebrafischembryonen entwickelt, das neurotoxische Wirkungen schnell, kostengünstig und ohne konventionelle Tierversuche aufdeckt. Die Forschenden dokumentierten die neurotoxische Wirkung am Beispiel der Chemikalie Chlorophen und deckten die zugehörigen molekularen Mechanismen auf.

Industrieanlage mit mehreren hohen Türmen und Rauchabzügen unter einem bewölkten Himmel
Credits Patrick Hendry unsplash

Das Verfahren nutzt Embryonen des Zebrabärblings, dessen Gene zu etwa 70 Prozent mit menschlichen übereinstimmen, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse wahrscheinlich macht. Die geringe Größe und schnelle Entwicklung der Fischembryonen eignen sich für Hochdurchsatztests, die Einblicke in die Funktion des Nervensystems geben. Die Forschenden untersuchten Lern- und Gedächtnisprozesse durch die Gewöhnung an wiederkehrende Reize. Ein akustischer oder visueller Reiz löst zunächst einen Schreck- oder Fluchtreflex aus, der bei Wiederholung nachlässt, wenn der Reiz als ungefährlich erkannt wird. Neurotoxische Substanzen können diese Gewöhnung verändern, indem sie den Reflex entweder dauerhaft auslösen oder die Gewöhnung beschleunigen.

Das Team testete zunächst bekannte Substanzen, um Verhaltensmuster zu erstellen, die Rückschlüsse auf Störungen des Nervensystems ermöglichen. Anschließend untersuchten sie zehn Substanzen, die das für Lernen und Gedächtnis wichtige NMDAR-Rezeptorsystem beeinflussen. Sechs Substanzen zeigten neuroaktive Wirkungen, besonders Chlorophen, ein Biozid, das die Gewöhnung an akustische Reize blockierte und visuelle Reize nicht mehr auslöste – ein Phänomen, das als paradoxe Erregung bekannt ist und bei bestimmten Narkotika auftritt.

Weitere Tests zeigten, dass Chlorophen über GABAA-Rezeptoren wirkt, die im Zentralnervensystem das Verhalten steuern. Dies wurde durch Untersuchungen an Mäuse- und menschlichen Neuronen sowie Computermodelle bestätigt. Ein weiterer Wirkmechanismus von Chlorophen, der das Lernverhalten beeinträchtigt, könnte über Kaliumkanäle ablaufen, wie Tests mit dem Schmerzmittel Flupirtin nahelegen, das ähnliche Verhaltensmuster hervorrief.

Das Screening-Verfahren bietet die Möglichkeit, Chemikalien und Mischungen großflächig auf neurotoxische Wirkungen zu prüfen, Gefährdungen frühzeitig zu erkennen und so Mensch und Umwelt zu schützen. Es unterstützt die EU-Chemikalienstrategie und den European Green Deal, indem es gefährliche Stoffe identifiziert, bevor sie Schaden anrichten. Die Studie stärkt das Vertrauen in Zebrafischdaten, indem sie zeigt, dass die Wirkmechanismen in Zebrafisch-, Maus- und Humanmodellen übereinstimmen, und könnte die Lücke in der Neurotoxizitätsprüfung schließen, um die menschliche Gesundheit besser zu schützen.

Originalpublikation

David Leuthold, Nadia K. Herold, Jana Nerlich, Kristina Bartmann, Ilka Scharkin, Stefan J.
Hallermann, Nicole Schweiger, Ellen Fritsche, Tamara Tal: Multi-behavioral phenotyping in early-life-stage zebrafish for identifying disruptors of non-associative learning; Environmental Health Perspectives, https://doi.org/10.1289/EHP16568

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