Insektenfreundliche Landwirtschaft braucht Teamwork: Erfolgreich kooperieren für den Insektenschutz

Durch | Februar 26, 2025

Wie können LandwirtInnen durch ihre aktive Beteiligung den Insektenschutz wirksamer machen? Ein Forschungsteam entwickelt und testet in drei Agrarregionen Deutschlands gemeinsam mit Praxisakteuren Maßnahmen zur Förderung der Insektenvielfalt. So konnten viele Maßnahmen, wie mehrjährige Blühstreifen, vielfältigere Fruchtfolgen, Anlage von Hecken und Streifenanbau nur durch diese partnerschaftliche Zusammenarbeit umgesetzt werden und ihre potenzielle ökologische Wirkung in der Landschaft entfalten.

Credits: Veronika Fick-Haas, ZALF
Credits Veronika Fick Haas ZALF

Um Agrarlandschaften insektenfreundlicher zu gestalten, wurden drei sogenannte Landschaftslabore in verschiedenen Regionen Deutschlands eingerichtet. Landschaftslabore sind großflächige Experimentierräume, in denen Wissenschaft, Landwirtschaft und weitere regionale AkteurInnen gemeinsam an nachhaltigen Lösungen für die Agrarlandschaft arbeiten. Sie ermöglichen es, innovative Maßnahmen nicht nur im kleinen Maßstab auf einzelnen Feldern, sondern auf der Landschaftsebene zu erproben und ihre langfristige Wirkung zu analysieren.

Die drei Landschaftslabore des Projekts liegen in folgenden Regionen:

– Havelländisches Luch (Brandenburg): Eine feuchte Niederungslandschaft mit hohem Anteil an Grünland und einem ausgedehnten Wassergrabennetz, die sowohl für die Tierhaltung als auch für den Ackerbau (Mais, Weizen, Gerste und Raps) genutzt wird. Die Betriebe und Felder sind hier im Vergleich zu den anderen Landschaften im Durchschnitt größer.
– Elm (Niedersachsen): Eine von Ackerbau geprägte Hügellandschaft mit sehr heterogenen Böden und einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 180 ha. Hauptsächlich werden Wintergetreide und Raps aber auch viele andere Feldfrüchte angebaut.
– Rottal (Bayern): Eine Agrarlandschaft mit fruchtbaren Böden und kleinen Feldgrößen, die aber stark durch den Maisanbau geprägt sind. Hier ist die Erosion durch starke Niederschläge eine große Herausforderung.

Die Akzeptanz und Umsetzung wirksamerer Fördermaßnahmen für Insekten durch die LandwirtInnen gilt in der Ökologie als „Flaschenhals“ für mehr Wirksamkeit bei der Förderung von Insekten. In einem gemeinsamen Aufruf haben deshalb kürzlich mehr als 300 WissenschaftlerInnen weltweit neben einer besseren Ausgestaltung der Maßnahmen und eines verbesserten Monitorings vor allem auch eine stärkere Einbeziehung von LandwirtInnen in die Ausgestaltung der Fördermaßnahmen gefordert. In den drei Landschaftslaboren des Projektes FInAL unter Federführung des Braunschweiger Thünen-Instituts erproben LandwirtInnen gemeinsam mit Forschenden, wie sich Agrarlandschaften und Agrarproduktion insektenfreundlicher gestalten lassen.

„Unser Ziel ist es, Landwirtinnen und Landwirte aktiv in die Entwicklung und Umsetzung der Maßnahmen einzubinden“, erklärt Dr. Maria Busse vom ZALF. „Sie wissen am besten, was in der Praxis funktioniert. Durch die enge Zusammenarbeit können wir Lösungen entwickeln, die diese gern ausprobieren. So steigt die Identifikation mit dem Projekt und den Maßnahmen. Die Maßnahmen werden so ausgewählt, dass sie sowohl Insekten Lebensraum bieten als auch wirtschaftlich tragfähig sind.“

Das Forschungsteam setzt auf einen kooperativen Gestaltungsprozess, das sogenannte „Co-Design“. Auf diese Weise kommen Lösungsvorschläge nicht nur vornehmlich aus der Wissenschaft, sondern auch aus der landwirtschaftlichen Praxis. Die Ideen und das Wissen werden so verknüpft, dass sie Lösungen hervorbringen, die ohne diese Zusammenarbeit nicht entstanden wären. Folgende Schritte und Methoden wurden angewendet:

1. Interviews: Zu Beginn des Projektes wurden die LandwirtInnen befragt, was sie motiviert, sich am Projekt zu beteiligen, wie ihre Erwartungen sind, und welche Bedeutung für sie Insekten in der Agrarlandschaft haben.

2. Workshops: In partizipativen Arbeitstreffen werden die Ziele für jedes Landschaftslabor gemeinsam festgelegt, Probleme und Lösungsmöglichkeiten diskutiert, Maßnahmen für die gesamte Landschaft ausgestaltet und bewertet.

3. Planungsgespräche mit einzelnen LandwirtInnen ergänzen die Workshops. So kann auf individuelle Ansprüche und Bedürfnisse eingegangen werden.

4. Experimentierflächen im Landschaftslabor: LandwirtInnen legen in Zusammenarbeit mit Forschenden z.B. mehrjährige Blühstreifen an, testen blühende Feldfrüchte oder stellen auf mehrjährige Kulturen um.

5. Feldbegehungen sind bei LandwirtInnen besonders beliebt, weil sie sich so am
besten mit ihren BerufskollegInnen zu den umgesetzten Maßnahmen austauschen können und hier Ideen für Neues entstehen.

6. Partizipative Kartierung: Mit digitalen und analogen Karten werden in den Workshops Maßnahmen auf Landschaftsebene geplant, um ihre räumliche Wirkung besser zu verstehen.

7. Reflexionsrunden: Die Beteiligten bewerten regelmäßig die Machbarkeit der Maßnahmen und passten sie an ihre Bedürfnisse an. Auch der gesamte Gestaltungsprozess wird regelmäßig reflektiert und angepasst.

LandwirtInnen bewerten den Co-Design-Ansatz als flexibel, konstruktiv und vertrauensbildend. Sie konnten dadurch z.B. viel über die Bedürfnisse der Insekten und die Umsetzung insektenfreundlicher Maßnahmen lernen. Jedoch bestehen noch Probleme bei der Zusammenarbeit mit anderen LandwirtInnen, da sie die Wirtschaftlichkeit ihrer Betriebe im Blick haben müssen und es bisher weniger gewohnt waren, die ökologischen, betriebsübergreifenden Zusammenhänge in der Landschaft zu berücksichtigen.

Eine solch enge Zusammenarbeit zwischen Praxis und Wissenschaft funktioniere laut Dr. Busse nur, wenn es in jedem Landschaftslabor eine feste Ansprechperson gebe, die die Tätigkeiten und Interaktionen orchestriere. Zudem sei es langfristig wichtig, wirtschaftlich tragfähige Lösungen zu etablieren, um den Schutz der Insekten dauerhaft, über die Projektlaufzeit hinaus, in der landwirtschaftlichen Praxis zu verankern.

Die Erkenntnisse aus den Landschaftslaboren werden nun für weitere Akteure in den Agrarlandschaften zugänglich gemacht, damit solche Maßnahmen in die Breite getragen werden können. Dazu werden Handlungsempfehlungen für Politik und Landwirtschaft entwickelt. Zudem soll geprüft werden, ob die Zusammenarbeit von Praxis und Wissenschaft in Landschaftslaboren ein übertragbarer Ansatz ist, und wie langfristige Kooperationen sichergestellt werden können.

Projektpartner

– Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei (Thünen-Institut) – Projektleitung
– Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V.
– Julius-Kühn-Institut (JKI)
– Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)
– Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK Ni)

Förderhinweis

Diese Arbeit wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR; Projektnummer 22012018) auf Grundlage eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

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