Forschende machen Vorschläge zur effizienten Planung des öffentlichen Nahverkehrs

Durch | April 8, 2025

Fahrten flexibel und auf Anfrage: Sammelfahrten auf Bestellung könnten den ÖPNV in ländlichen Gebieten künftig prägen. Solche Angebote zu planen, ist eine Herausforderung für Unternehmen und Behörden. Schließlich sollen die Angebote möglichst viele Menschen erreichen und dabei wirtschaftlich und umweltfreundlich betrieben werden. WirtschaftswissenschaftlerInnen der Universität Augsburg schlagen zusammen mit KollegInnen der Universität der Bundeswehr in München Planungsansätze vor, die dazu beitragen können. Sie haben dazu in den Zeitschriften „OR Spectrum“ sowie „Transportation Research Part A: Policy and Practice“ publiziert.

Credits: MART PRODUCTION, pexels
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Auf dem Land steckt der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) oft in einem Teufelskreis aus geringer Nachfrage und geringem Angebot: Weil weniger Leute ihn nutzen, werden weniger Fahrten angeboten – und wegen der unattraktiven Fahrpläne wird er noch weniger genutzt.

Eine Lösung sind Shared-Mobility-on-Demand-Angebote (SMOD): flexible, nachfrageorientierte Angebote, bei denen Fahrten über eine App oder alternativ telefonisch gebucht und vom Anbieter gebündelt werden (Pooling). Mit dieser digitalen Weiterentwicklung des Anruf-Sammeltaxis wird ÖPNV auf dem Land nicht nur attraktiver, sondern auch umweltfreundlicher.

Doch wie können solche Angebote effizient geplant werden? „Für Anbieter kann es sich lohnen, die Nachfrage aktiv zu steuern, also Fahrten nicht zur exakt gewünschten Zeit, sondern etwas früher oder später anzubieten. So können speziell im ländlichen Raum, in dem die Nachfrage sehr gering und räumlich verteilt ist, mehr Fahrten gebündelt werden – was das Angebot insgesamt wirtschaftlicher und umweltfreundlicher macht“, sagt Fabian Anzenhofer, Doktorand am wirtschaftswissenschaftlichen Lehrstuhl für Analytics & Optimization der Universität Augsburg.

Ob und wie die AnbieterInnen die Nachfrage steuern sollte, hat Anzenhofer gemeinsam mit KollegInnen der Universität Augsburg und der Universität der Bundeswehr in München untersucht. Sie haben eine Methode speziell für SMOD-Anbieter im ländlichen Raum entwickelt und dafür mit der Firma Flexibus zusammengearbeitet. Flexibus betreibt seit 2009 einen der am längsten bestehenden SMOD-Services Deutschlands in den Landkreisen Günzburg, Ostallgäu und Unterallgäu.

Wenn die AnbieterInnen die Nachfrage datenbasiert steuern, können sie effizientere Routen für die Fahrzeugflotte planen: Pro gebuchter Fahrt fallen weniger Fahrzeugkilometer an. Das zeigen die Simulationsergebnisse, die die WissenschaftlerInnen kürzlich in der Fachzeitschrift „OR Spectrum“ veröffentlicht haben. Die Fahrten werden so wirtschaftlicher, aber auch umweltfreundlicher – in der konkreten Fallstudie sind jeweils Verbesserungen um ein Drittel möglich.

„Zwar werden dann weniger Fahrten gebucht, doch vor allem, weil schlecht zu bündelnde und damit unwirtschaftliche Fahrten nicht angeboten werden“, erklärt Dr. David Fleckenstein, einer der Co-AutorInnen der Studie.

Zusätzliche Verbesserungen sind möglich, wenn das Unternehmen Buchungsdaten aus der Vergangenheit nutzt, um zu prognostizieren, wie gut eine angefragte Fahrt voraussichtlich gebündelt werden kann. So können die AnbieterInnen die Nachfrage präziser steuern, besonders zu Beginn des Buchungsprozesses, wenn noch nicht viele Buchungen vorliegen.

Wie aber lässt sich sicherstellen, dass SMOD-Unternehmen nicht nur wirtschaftliche Fahrten anbieten – zu Lasten von Gebieten mit schwacher Nachfrage ­–, sondern für möglichst viele Menschen eine umweltfreundliche und zuverlässige Alternative zur Fahrt im eigenen PKW darstellen?

Hier könnten die GesetzgeberInnen eingreifen, raten die Forschenden. In einem weiteren Artikel, erschienen in der Fachzeitschrift „Transportation Research: Part A“, diskutieren sie zwei Regulierungsinstrumente, die den AnbieterInnen starre Vorgaben zu konkreten Kennzahlen auferlegen. Bereits jetzt können Behörden nach deutscher Rechtslage von AnbieterInnen fordern, eine Bündelungsquote einzuhalten. Dabei handelt es sich um eine Vorgabe, wie stark Fahrtwünsche in gemeinsame Fahrten zusammengelegt werden müssen. Das kann die Fahrten noch umweltfreundlicher machen.

Allerdings ist die Festlegung eines starren Werts problematisch: Ist der Wert zu hoch, werden die AnbieterInnen gezwungen, Fahrtanfragen in besonders nachfrageschwachen Gebieten abzulehnen – und abgelehnte Fahrgäste müssen auf weniger umweltfreundliche Alternativen zurückgreifen, etwa das eigene Auto. Die Definition der Bündelungsquote in der deutschen Gesetzgebung kann ein weiteres Problem bewirken: Da zurückgelegte Personenkilometer gemessen werden, könnten die AnbieterInnen unnötige Umwege einplanen, um die erzielte Quote künstlich zu erhöhen.

Daher plädieren die WissenschaftlerInnen, wenn überhaupt, für eine gemäßigte Bündelungsquote. Diese sollte nicht zu hoch angesetzt werden und nicht bei jeder Fahrt, sondern nur im Durchschnitt über einen längeren Zeitraum erreicht werden müssen. Außerdem schlagen die Forschenden eine Definition auf Basis der gebuchten anstelle der gefahrenen Personenkilometer vor, die unnötig gefahrene Umwege ausschließt.

Ein zweites Regulierungsinstrument könnte die Daseinsvorsorge verbessern: Die Forschenden haben eine räumliche Mindestabdeckungsquote untersucht. Diese soll gewährleisten, dass auch abgelegene, nachfrageschwache Gebiete bedient werden – und nicht beispielsweise Anfragen aus zentralen Gebieten gegenüber solchen aus der Peripherie bevorzugt werden.

Diese Maßnahme würde sich – im Gegensatz zur Bündelungsquote – nicht negativ auf die Zuverlässigkeit des Angebots oder auf die Umwelt auswirken. Um die Quote für alle Teilgebiete zu ermitteln, müsste vorab das SMOD-System der jeweiligen Region genau analysiert werden.

Originalpublikation

Anzenhofer, F., Fleckenstein, D., Klein, R. et al. Analyzing the impact of demand management in rural shared mobility-on-demand systems. OR Spectrum (2025). https:// doi.org/10.1007/s00291-024-00805-8

Fabian Anzenhofer, Simon Schmidbaur, Robert Klein, Claudius Steinhardt: The potential of governmental regulation on shared mobility-on-demand systems. Transportation Research Part A: Policy and Practice (2025). https://doi.org/10.1016/j.tra.2024.104360

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