Die „Charta für das Berliner Stadtgrün“ hält eine Selbstverpflichtung des Landes Berlin fest, zur Qualität und Attraktivität der Stadt sowohl als Lebens-, Wohn-, Arbeits-, Freizeit- und Wirtschaftsstandort als auch als Reiseziel beizutragen. Allerdings fielen entsprechende Maßnahmen in der Vergangenheit dem Rotstift zum Opfer, so dass inzwischen viele öffentliche Parkanlagen, Sport- und Spielplätze Berlins eine grundlegende Instandsetzung und Modernisierung benötigen.

Ob eine Pflege, die den Fokus auf Artenschutz und Klimaresilienz legt, unter den Bedingungen knapper Kassen möglich ist, ergründen WissenschaftlerInnen der TU-Berlin, Fachgebiet Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung.
In seiner Dissertation „Coppicing – Entwicklung widerstandsfähiger und langlebiger (selbsterneuernder) Pflanzengemeinschaften unter Einfluss von mittlerer Störung am Beispiel des Coppicingsystems“ hat TU-Forscher Dominic Wachs untersucht, ob sich aus der Kombination von Stauden mit Gehölzen pflegearme, artenreiche und robuste Pflanzengemeinschaften bilden können. Dabei werden die Gehölze mit der Coppicing-Technik, einer radikalen Schnittmethode, regelmäßig zurückgeschnitten. Der Fokus lag auf einer Pflanzengemeinschaft mit dem Blut-Trompetenbaum.
Pugnalom sprach mit dem Wissenschaftler über die Coppicing-Methode und die Verwendung eines Neophyten in städtischen Grünanlagen.
Welche Rolle spielt die Methode „Auf-den-Stock-Setzen“ bei der Pflege öffentlicher Grünflächen in Städten und Gemeinden? Was ist neu an Ihrer Vorgehensweise?
Die Methode des „Auf-den-Stock-Setzens“ ist als Pflegemethode in Städten und Gemeinden durchaus üblich. Auch in der Feldflur ist sie gebräuchlich – dort leider meist viel zu radikal.
Neu dagegen ist, dass wir diese Methode bewusst mit Stauden und anderen Lebensformen wie Geophyten und Therophyten kombinieren.
Welche Staudenarten haben Sie verwendet?
Diese Frage kann ich nicht pauschal beantworten, denn die einzelnen Arten und Strategietypen müssen immer auf den jeweiligen Standort abgestimmt werden. Man kann aus einer Vielzahl an Pflanzenarten auswählen, und die Zusammensetzung aus Gerüstbildnern, Begleitstauden, Füllstauden, Bodendeckern und Zwiebel- beziehungsweise Knollenpflanzen genau planen.
Welche Gehölzarten außer Catalpa haben Sie verwendet?
Damit ein Versuch statistisch ausgewertet werden kann, müssen die Faktoren möglichst gleich gehalten werden. Daher darf beziehungsweise durfte es nur eine Gehölzart sein. Sonst hätte ich die Versuchsflächen verdoppeln müssen. Je nach Kontext und Standort eignen sich selbstverständlich noch andere Gehölzarten.
Auf welche Überlegungen stützt sich die Entscheidung, den Blut-Trompetenbaum zu nutzen?
Hier gab es im Fachbereich bereits eine kleinere Pflanzung mit Catalba x erubescens. Zudem gibt es eine Testpflanzung von Gehölzarten, die sich für einen radikalen Rückschnitt eignen.
Aus welchem Grund haben Sie kein heimisches Gehölz eingesetzt?
Entscheidend war der Standort. Die durchschnittliche Niederschlagsverteilung ist mit 500 bis 550 mm pro Jahr und Quadratmeter zu gering, um die meisten schnellwüchsigen und heimischen Arten in solch einem System erfolgreich zu etablieren. Es könnten beispielsweise heimische Pappelarten in Frage kommen. Aber auch Überlegungen zur ästhetischen Wirkung einer Pflanzung spielen eine Rolle – so zum Beispiel die zusätzliche Schmuckwirkung durch das Laub. Das muss man natürlich bereits bei der Pflanzung beachten.
In anderen Gegenden mit guten Böden und höheren Niederschlägen kann die Artenpalette deutlich erweitert werden. Auch für den Berliner Raum gibt es noch weitere Arten, zum Beispiel Schmuckpflanzungen mit rotlaubigen Sorten des Spitz-Ahorns (Acer platanoides). Dieser Art fällt es aber zunehmend schwer, im städtischen Kontext zu gedeihen. Außerdem gehört sie nur bedingt zu den zukünftigen Klimabäumen.
Sollte sich die Idee durchsetzen, den Blut-Trompetenbaum großflächig, d.h. in vielen Städten und Gemeinden, zu pflanzen: Wurde das exotische Gehölz auf seine Invasivität hin untersucht? Es gibt ja bereits Gehölze, die sich ungewünscht immer weiter ausbreiten wie zum Beispiel Kirschlorbeer oder Späte Traubenkirsche…
Der Blut-Trompetenbaum ist eine Hybride, die nicht invasiv ist. Das gilt auch für die reine Art. Anderenfalls dürfte er der europäischen Verbotsliste zufolge nicht mehr in den Handel gebracht werden, wie es beispielsweise für den Götterbaum (Ailanthus altissima) mittlerweile der Fall ist.
Allerdings halte ich diese Art des Verbots für zu unreflektiert. Es werden zunehmend Arten verboten, die mit den zukünftigen Klimaten gut zurechtkommen würden. Eigentlich müsste die Liste nach Regionen erstellt werden und nicht pauschal für Gesamteuropa gelten.
Darüber hinaus wäre es idiotisch, nur den Blut-Trompetenbaum zu pflanzen. Es gibt zahlreiche andere Gehölze. Das Ausschlaggebende ist und bleibt der jeweilige Standort!
Welche positiven und/oder negativen Wechselwirkungen zwischen heimischer Tierwelt, insbesondere Insekten, und Blut-Trompetenbaum bestehen bzw. wurden untersucht?
Die Untersuchung schließt keine reine Wechselwirkungen mit Hautflüglern oder anderen Organismengruppen ein. Dies wäre durchaus wünschenswert gewesen. Zeitlich und finanziell waren und sind uns hier aber die Hände gebunden.
Es ist wichtig, nicht nur das Gehölz an sich zu betrachten, sondern sich auf die Krautschicht zu fokussieren. Diese setzt sich aus vielen Arten zusammen, die sehr beliebt bei Bestäuberinsekten sind. Zudem haben unsere bisherigen Auswertungen gezeigt, dass sich der zweijährige Schnittturnus positiv auf die Artenzahl der Begleitflora auswirkt. Vor allem kurzlebige Arten können sich dauerhaft etablieren. Die Artenanzahl steigt im Laufe des Versuchszeitraums kontinuierlich an. Zum Beispiel konnten wir feststellen, dass sich die Stauden in den Parzellen wesentlich besser versamen als in den jährlich geschnittenen Parzellen. Die Daten werden nächstes Jahr veröffentlicht und sehen sehr spannend aus.
Herr Dr. Wachs, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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