Früher Unkraut, heute selten: Studie zeigt drastische Auswirkungen von Herbiziden und menschlichem Einfluss

Durch | August 6, 2025

Eine im April 2025 in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichte Studie bestätigt den dramatischen Rückgang der Artenvielfalt auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, insbesondere bei Ackerwildkräutern wie Kornrade (Agrostemma githago), Feldrittersporn (Consolida regalis) und Adonisröschen (Adonis ssp.). Das internationale Forschungsteam unter der Leitung von Meelis Pärtel von der Universität Tartu untersuchte über 5.400 Standorte in 119 Regionen weltweit, darunter viele Felder in Mitteleuropa. Die Ergebnisse zeigen, dass menschlicher Einfluss durch intensive Landwirtschaft, Versiegelungen und Habitatzerstörung durch Siedlungen und Infrastruktur zu einem erheblichen Verlust an Pflanzenvielfalt führt. Während in wenig beeinflussten Regionen noch etwa ein Drittel der möglichen Pflanzenarten vorhanden sind, sinkt deren Anteil in stark genutzten Gebieten auf weniger als ein Fünftel.

Hunderte Hektar Monokultur prägen das Bild in der Feldmark, und auch auf den Wegen wächst keine Wildblume mehr. Credits: Pugnalom
Hunderte Hektar Monokultur prägen das Bild in der Feldmark und auch auf den Wegen wächst keine Wildblume mehr Credits Pugnalom

Die Studie führt das Konzept der „dark diversity“ ein, das Arten beschreibt, die in einer Region existieren könnten, aber lokal durch Habitatfragmentierung, intensiven Herbizideinsatz oder fehlende Ausbreitungswege fehlen. Besonders Ackerwildkräuter sind stark betroffen, selbst in unbewirtschafteten Gebieten. Ihr Rückgang löst Kettenreaktionen aus, da spezialisierte Wildbienen, Schmetterlinge und Feldvögel, die auf diese Pflanzen angewiesen sind, ebenfalls verschwinden. Die Forscher betonen, dass solche Verluste in bisherigen Naturschutzstatistiken oft übersehen wurden. Um den Verlust aufzuhalten, fordern sie dringende Maßnahmen wie die bessere Vernetzung naturnaher Flächen, die Reduktion von Pestiziden und die gezielte Förderung von Ackerwildkräutern. Viele dieser Arten sind regional noch vorhanden, doch das Zeitfenster zur Wiederherstellung schließt sich schnell, da ein vollständiges Verschwinden droht.

Originalpublikation

Pärtel, M. et al. (2025): „Global impoverishment of natural vegetation revealed by dark diversity“, Nature.
https://www.nature.com/articles/s41586-025-08814-5

Hintergrund

Die Acker-Begleitflora – auch Ackerwildkräuter oder Segetalarten genannt – zählt zu den am stärksten bedrohten Pflanzengruppen Mitteleuropas. Fachliche Untersuchungen und Roten Listen belegen seit den 1950er-Jahren einen dramatischen Rückgang sowohl der Artenzahl als auch der Individuendichte auf landwirtschaftlichen Nutzflächen. Über 40 Prozent der auf Äckern vorkommenden Arten gelten als gefährdet, viele einst weit verbreitete Begleitarten sind heute aus weiten Teilen Europas verschwunden oder stehen auf nationalen und regionalen Roten Listen.

Die Ursachen für diesen Rückgang liegen vor allem in der Intensivierung der Landwirtschaft, dem Einsatz von Herbiziden und synthetischen Düngemitteln, einer effizienteren Unkrautregulierung sowie der Verkleinerung der Lebensräume auf Feldränder und wenige Brachen. Studien zufolge ist dadurch die Pflanzenvielfalt auf Äckern im Inneren der Felder um bis zu 71 Prozent seit den 1950er-Jahren gesunken, während nur wenige, meist konkurrenzstarke Arten zugenommen haben.

Konkret gelten folgende Ackerbegleitkräuter als (stark) bedroht oder rückläufig:

  • Kornrade (Agrostemma githago)
    Ehemals weit verbreitet, heute fast überall extrem selten oder verschollen. Sie ist Zielart vieler Artenschutzprogramme und für Wildbienen ein wichtiger Pollenlieferant.
  • Feld-Rittersporn (Consolida regalis)
    Starke Bestandsrückgänge, auf der Roten Liste gefährdeter Arten Deutschland (Stufe 3), wichtige Nektarquelle für Wildbienen und Hummeln im Sommer.
  • Sommer-Adonisröschen (Adonis aestivalis)
    Vom Aussterben bedroht, europaweit stark rückläufig. Besonders wichtig für spezialisierte Insekten und enthält Herzglykoside, die für einige Tiere Schutz bieten.
  • Echter Frauenspiegel (Legousia speculum-veneris)
    Deutschlandweit gefährdet, auf vielen Äckern bereits verschwunden. Bedeutende Nektarquelle für diverse Wildbienen.
  • Venuskamm (Scandix pecten-veneris)
    Selten, stark gefährdet und im Bestand weiter rückläufig.
  • Rundblättriges Hasenohr (Bupleurum rotundifolium)
    Charakteristische, inzwischen seltene Art mediterraner Trockenäcker. Bietet Insekten Deckung und spezialisierte Futterressourcen.
  • Kornblume (Centaurea cyanus)
    Ebenfalls im Rückgang begriffen (was vielerorts auch für den Klatschmohn gilt). Kornblume ist äußerst bedeutend für Bienen, Schwebfliegen, Tagfalter und zahlreiche weitere Insekten als Nektar- und Pollenquelle.

Weitere bedrohte Arten, die in wissenschaftlichen Veröffentlichungen oft hervorgehoben werden, sind z. B. das Acker-Hahnenfuß (Ranunculus arvensis), der Acker-Gelbstern (Gagea arvensis), das Adonisröschen (Adonis flammea), der Acker-Schwarzkümmel (Nigella arvensis) oder auch Zwiebelarten wie die Wilde Tulpe (Tulipa sylvestris).

Die Bedeutung dieser Ackerbegleitkräuter für Insekten und andere Tiere ist vielfältig: Sie sind unverzichtbare Futterpflanzen für zahlreiche Wildbienenarten, Schmetterlinge, Hummeln, Käfer und bieten auch Vogelarten wie Feldlerche, Rebhuhn oder Goldammer wichtige Nahrung und Deckung. Der Rückgang der Ackerbegleitflora beeinflusst direkt die Artenvielfalt der Insekten und hat negative Auswirkungen auf weitere Glieder der Nahrungskette wie Vögel und Kleinsäuger

Quellen/zum Weiterlesen

Artenreiche Borstgrasrasen und Pfeifen­graswiesen durch Vormahd und Vorweide erhalten

Inhalt_213x300.indd (Praxisbroschüre „Wiederansiedlung seltener und gefährdeter
Ackerwildkräuter im Biobetrieb“)

DVL_18_Inhalt.indd

Äcker – Biodivers

Ackerwildkraeuter-foerdern-Infobroschuere-fuer-Landwirte.pdf

Erfolge beim Schutz der Segetalflora – Naturschutz und Landschaftsplanung

Pestizide bedrohen die Biodiversität in Deutschland: Bedrohte Vielfalt | Heinrich-Böll-Stiftung

Ackerwildkräuter – Gefährdung und Schutz

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