Grüne Goldgrube: Wie deutsche Banken die Nachhaltigkeitswelle verpassen – ein Pugnalom KOMMENTAR

Durch | Mai 19, 2025

Inzwischen dürfte die Bedeutsamkeit des Themas Umwelt auch beim Finanzsektor in Deutschland angekommen sein – nicht zuletzt auf Grund des gesellschaftlichen Drucks und regulatorischer Änderungen. Dazu kommt, dass es mit Sicherheit grob fahrlässig wäre, den Trend zu verschlafen – winken doch gerade im wachsenden Markt der Ökoindustrie satte Gewinne. Gerade in der Textilbranche wird das deutlich. So wird der globale Markt für nachhaltige Materialien (einschließlich Bio-Materialien und recycelbare Stoffe) bis 2034 Prognosen zufolge auf rund 1.074 Milliarden US-Dollar steigen, was einem jährlichen Wachstum von rund 12 Prozent von 2024 bis 2034 entspricht. Wenn auch keine konkreten Zahlen für Europa zu finden sind, dürfte sich im EU-Raum ein ähnlicher Trend abzeichnen. Immerhin zielt die EU-Strategie für nachhaltige Textilien darauf ab, alle Textilprodukte bis 2030 langlebig, reparierbar und recycelbar zu machen.

Credits: Burak The Weekender, pexels
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Ein Bericht von Grand View Research prognostiziert, dass der Markt für grüne Technologien und Nachhaltigkeit, in seiner Gesamtheit betrachtet, bis 2030 auf 79,65 Milliarden US-Dollar wachsen wird, mit einer jährlichen Steigerungsrate von 22,9 Prozent von 2024 bis 2030 – das betrifft sämtliche Produkte vom Brot über Hose und Kosmetik bis zum Auto.

Nicht zuletzt sind es die globalen Verpflichtungen, wie die von 131 Ländern gesetzten Ziele für Netto-Null-Emissionen bis 2050, die den Bedarf an ökologischen und nachhaltigen Produkten mit Sicherheit in allen Sektoren erhöhen werden.

Der FAO-Bericht „The Future of Food and Agriculture – Alternative Pathways to 2050“ untersucht verschiedene Szenarien für die Zukunft der Lebensmittelproduktion und betont, dass eine nachhaltige Transformation der Lebensmittelsysteme notwendig ist, um die wachsende Weltbevölkerung – es werden bis 2050 bis zu 9,8 Milliarden Menschen auf der Erde leben – zu ernähren, ohne die Umwelt zu überlasten und uns damit unserer eigenen Lebensgrundlagen zu berauben.

An dramatischen Zahlen zum sechsten Massenaussterben der Erdgeschichte, dessen Verursacher der Mensch ist, mangelt es nicht. Und dennoch hält das große Sterben unvermindert an. Es geht konform mit dem Maß an Wasser, Ackerland und Bodenschätzen, die wir für unseren ausufernden Lebensstil verschwenden. Statt zu sinken, steigt der globale Ressourcenverbrauch; die Vereinten Nationen (UN) gehen gar von einer Verdoppelung bis 2050 aus, sollte sich am derzeitigen Trend nichts ändern: 2017 berechnete das Intenational Resource Panel (IRP) der UN, dass der globale Verbrauch von Biomasse, fossilen Brennstoffen, Metallen und nicht-metallischen Mineralien von 88,6 Milliarden Tonnen pro Jahr auf rund 180 Milliarden Tonnen jährlich steigen könnte.

Bislang taten sich Banken herzlich wenig mit Umweltbewusstsein oder nachhaltigem Handeln hervor. Einer Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC) und dem World Wide Fund For Natur (WWF) zufolge hielten von 52 Finanzinstitutionen insgesamt 88 Prozent die Biodiversität für unwesentlich; nur 13 Prozent konnten spezifische Ziele vorweisen. Der Skandal um die Deutsche Bank-Tochter DWS trägt ein übriges zum Misstrauen gegenüber Finanzinstitutionen bei. Gemeinsam mit dem WWF hatte die DWS den Aktienfond „DWS Concept ESG Blue Economy“ entwickelt, der in Unternehmen investiert, die das Meer als Wirtschaftsraum nutzen und zum Schutz der Meere beitragen. Alles heiße Luft: Der Fond investierte auch in Aktien eines der größten Kreuzfahrtgesellschaften der Welt, Royal Caribbean, außerdem in ein Tochterunternehmen von Coca-Cola und den britischen Kraftwerkbetreiber Drax, einen der größten CO2-Verursacher Großbritanniens. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ahndete die falschen Werbeversprechen mit 25 Millionen Euro Strafe.

Sicher, Auszeichnungen, Zertifizierungen und die Finanzierung alternativer Geschäftsmodelle sind mitentscheidend für einen Bewusstseinswandel. Nur – wie authentisch und verlässlich sind sie?

Am bekanntesten ist das FNG-Siegel für nachhaltige Investmentfonds, das eigenen Angaben zufolge in einem dreijährigen Turnus von Finanzfachleuten und Akteuren der Zivilgesellschaft erarbeitet wird und Qualitätsstandards für nachhaltige Anlageprodukte festlegt. Und der Fair Finance Guide Deutschland, der Banken anhand sozialer und ökologischer Kriterien bewertet, vergleicht die Selbstverpflichtungen der Banken mit eigenen Praxischecks, bei denen die Finanzbeziehungen zwischen Banken und kontroversen Unternehmen untersucht werden. Allerdings fehlt es nicht nur an Geld und Manpower, um flächendeckende Analysen durchführen und den KundInnen eine Entscheidungshilfe an die Hand geben zu können, sondern vor allem auch an der Transparenz der Geschäftsbeziehungen deutscher Banken. Studien wie die der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kritisieren nebulöse Nachhaltigkeitsversprechen in Finanzprodukten und bemängeln, dass viele Angebote nicht liefern.

Die genaue Quantifizierung von Ausgaben für Umweltprojekte im Vergleich zu kommerziellen Aktivitäten ist daher kaum möglich. Allgemeine Berechnungen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass die gesamten Umweltausgaben Deutschlands 2022 82,3 Milliarden Euro betrugen, was mageren 2,1 Prozent des BIP entspricht. Zahlen, die über entsprechende Ausgaben in den Finanzinstituten Auskunft geben, werden nicht separat ausgewiesen – sie dürften im Promille-Bereich liegen.

Fakt dagegen ist, dass die Gewinne des Finanzsektors exorbitant sind und in einem deutlichen Missverhältnis zum Nachhaltigkeitsengagement der Akteure stehen. Allein die Deutsche Bank meldete 2023 einen Vorsteuergewinn von 5,7 Milliarden Euro.

Während sich Institutionen wie die 1995 gegründete UmweltBank in ihrer Geschäftstätigkeit an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen orientieren, hält die breite Masse der Finanzinstitute an alten, zerstörerischen Geschäftsmodellen fest, gibt sich aber einen grünen Anstrich. Dringend notwendig ist daher eine entsprechende Transparenz mit regulatorischen Rahmenwerken. Zwar ist seit rund vier Jahren eines in Kraft: die EU-Taxonomie, welche nachhaltige Aktivitäten definiert, sowie die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR). In Deutschland ist die Bankenaufsicht (BaFin) für die Überprüfung der Einhaltung zuständig. Bei Nichteinhaltung drohen zwar potenzielle Strafen – die allerdings bis jetzt noch nie verhangen wurden. Zu vage die Begrifflichkeiten, bemängeln die Banken, zu wenig Schlagkraft, behaupten wir von Pugnalom. Denn eine nachhaltige Wirtschaft ist nur mit „grünen“ Banken möglich: Banken, die ihre Kapitalströme in nachhaltige Projekte lenken und gleichzeitig ihre eigenen Geschäftsmodelle an ökologische Standards anpassen.

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