Die Deutschen lieben ihren Rasen. Mit Beginn der Vegetationsperiode brummen praktisch pausenlos die Rasenmäher: Einmal pro Woche, so lautet die gängige Regel, sollte der Rasen gemäht werden, damit er dicht und frei von „Unkraut“ bleibt.
Dass mit dieser Akribie und Permanenz Leben zerstört wird, darum kümmerten sich Gartenbesitzer kaum – und ebenso wenig die städtischen Bauhöfe. Die schätzungsweise 1,8 Millionen Hektar Rasenfläche in Deutschland waren und sind in aller Regel raspelkurz gehalten.

Dagegen hat sich Anfang des Monats der Naturschutzbund (NABU) zu Wort gemeldet. Mit der Aktion „Mähfreier Mai“, die ursprünglich aus dem Vereinten Königreich stammt, wollen die Naturschützer die Sensibilität für das fortschreitende Insektensterben erhöhen: Weniger Rasenmahd bedeutet mehr Insekten, weil mehr Wildblumen mit Blüten locken.
Ohnehin ist die Dauermahd des Rasens in Verruf geraten. Nicht nur, dass neuerdings vielerorts tagaus, tagein Mähroboter über Flächen zockeln und alles schreddern, was ihnen unter die Messer gerät – unter anderem Igel. Auch konventionelle Rasenmäher arbeiten alles andere als tierschonend: Die rotierenden Werkzeuge töten den größten Teil der unscheinbaren Rasenbewohner.
Wie deutlich zeitlich versetztes Mähen auf Insekten und Spinnentiere wirkt, dokumentierte auch die Biologin Susannah Lerman und ihr Team. Die Ergebnisse zeigten, dass wöchentliches Mähen die Insektenvielfalt extrem reduziert, da es weder Zeit für die Ansiedlung von Arten noch für die Entwicklung von Larven lässt. Selbst bei einem Mähtakt von zwei Wochen blieb die Besiedelung gering, während Flächen, die alle drei Wochen oder seltener gemäht wurden, eine deutlich höhere Anzahl und Vielfalt an Wildbienen und anderen Insekten aufwiesen.
Indirekte Auswirkungen des Mähens betreffen die Zerstörung von Lebensräumen und Nahrungsquellen. Ein getrimmter Rasen ist artenarm und bietet Insekten keinerlei Nahrung, da selbst niedrige Allerweltsarten wie Gänseblümchen oder Weißklee, die eigentlich häufig im Rasen vorkommen, nicht blühen oder gar fruchten können. Regelmäßiges Mähen stört nicht nur die aktuelle Blütenbildung, sondern verhindert eben auch die Produktion von Samen, die für die Verbreitung und den langfristigen Erhalt von Pflanzenarten entscheidend sind. Eine Untersuchung des NABU aus dem Jahr 2021 zeigt, dass ungemähte Flächen im Mai und Juni eine deutlich höhere Samenproduktion aufweisen, was die Wiederbesiedlung von Flächen mit Wildblumen erleichtert.
Wer häufig mäht, begünstigt ausschließlich Gräser, da diese schneller nachwachsen und deutlich konkurrenzstärker sind als Wildblumen. Auch das Zurücklassen des Mähguts befeuert das Wachstum von Gräsern, indem der Boden zusätzlich mit Nährstoffen angereichert wird. Eine Langzeitstudie der Technischen Universität München aus dem Jahr 2022 bestätigt, dass stickstoffreiche Böden die Artenvielfalt reduzieren, da sie die Konkurrenz durch wenige dominante Arten erhöhen. Dies führt zu einem Verlust von Wildblumen und damit zu einem weiteren Lebensraumverlust.
Eine Monokultur aus Gras ist wertlos.
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