Nachlässige Entsorgung von Grünabfällen gefährdet Umwelt und Gesundheit

Durch | Juli 31, 2025

GärtnerInnen und LandwirtInnen kennen das Problem: Pflanzerde und Kompost mit Anteilen von Müllresten. Egal, ob die Substrate aus Baumärkten, Discountern oder Entsorgungsfirmen stammen, praktisch in jeder Charge sind geschreddertes Bindematerial, undefinierbare Plastikfetzen oder Styropor zu finden.

Ein grüner Biotonnenbehälter, gefüllt mit verschiedenen organischen Abfällen wie Gemüseresten, Blattgemüse und Alufolie.
Credits Soester Anzeiger

Die Kompostierung von Bioabfällen ist in zentraler Bestandteil der deutschen Kreislaufwirtschaft. Laut Angaben der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall wurden im Jahr 2019 rund 60 Prozent aller häuslichen Bioabfälle direkt kompostiert. Weitere 34 Prozent wurden einer sogenannten Kaskadennutzung zugeführt, das heißt, sie wurden zunächst vergoren und anschließend die dabei entstehenden Gärreste kompostiert. Die verbleibenden sechs Prozent entfallen auf sonstige Verwertungsverfahren. Bioabfälle machen im Gesamtspektrum des Abfallaufkommens in Siedlungen immerhin zwischen 30 und 40 Prozent aus.

Dennoch bereitet die Zusammensetzung des in den Grünen Tonnen gesammelten Materials den Behandlungsanlagen zunehmend Probleme. Viele BürgerInnen entsorgen Obst- und Gemüsereste, Blumensträuße sowie andere organische Abfälle mitsamt ihren Verpackungen in der Biotonne, was zu erheblichen Verunreinigungen führt: Nach Schätzungen des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft liegt der Anteil an Fremdstoffen im Biomüll bei bis zu fünf Prozent – verursacht durch „Fehlwürfe“ der NutzerInnen.

Besonders problematisch sind dabei nicht nur konventionelle Kunststoffe, sondern auch die sogenannten „kompostierbaren“ Plastiktüten oder auch „Biokunststoffe“. Diese als biologisch abbaubar beworbenen Materialien zersetzen sich in den Kompostierungsanlagen nämlich nicht vollständig, da die Verrottungszeit die Verweildauer der Biomasse in der Anlage bei weitem übersteigt. Darüber hinaus finden sich regelmäßig Kaffeekapseln, Verpackungsfolien, Aluminium, Glas und Metallgegenstände bis hin zu Babywindeln und Zigarettenstummeln im Bioabfall.

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen das Ausmaß der Kontamination. Eine Masterarbeit des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie beispielsweise untersuchte Komposte aus verschiedenen Anlagen. In Pflanzenabfallkomposten wurden durchschnittlich 56 Partikel pro Kilogramm Trockensubstanz gefunden, bei Bioabfallkomposten aus Vergärungsanlagen waren es im Mittel 391 Partikel.

Wer gemäß dem Motto „Aus den Augen aus dem Sinn“ seine Grünabfälle derart nachlässig entsorgt, trägt aktiv zur Gefährdung von Gesundheit und Umwelt bei. Denn die Fremdstoffe können verschiedene Schadsubstanzen freisetzen. So enthalten Kunststoffe im Durchschnitt vier Prozent Additive wie Weichmacher, Flammschutzmittel oder Stabilisatoren. Einige dieser Zusatzstoffe, beispielsweise Blei, organische Zinnverbindungen oder Cadmiumverbindungen, sind gesundheitsschädlich.

Dazu kommt die wachsende Gefahr der Kontamination mit Mikroplastik: Partikel zwischen fünf Millimetern und einem Mikrometer, die sich immer mehr in aquatischen und terrestrischen Ökosystemen anreichern. Bereits heute sind sie fester Bestandteil der Nahrungsketten (auch der des Menschen). Persistente organische Substanzen wie Polychlorierte Biphenyle (PCB), Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) oder Bisphenol A können sich auf Mikroplastikpartikeln in Konzentrationen anreichern, die bis zu einer Million Mal höher sind als in der übrigen Umgebung.

Eine der ersten umfassenden Studien zur Frage, wie viel Mikroplastik der Mensch aufnimmt, stammt aus dem Jahr 2019, veröffentlicht in Environmental Science & Technology. Diese Untersuchung ging von einer jährlichen Aufnahme von Mikroplastik in den USA aus, basierend auf Daten zu Trinkwasser, Lebensmitteln (insbesondere Meeresfrüchte) und Atemluft. Für einen erwachsenen Mann erschließt sich daraus eine jährliche Aufnahme von etwa 88.000 bis 121.000 Mikroplastikpartikeln, wobei Trinkwasser aus Plastikflaschen sowie die Atemluft die Hauptquellen darstellen. Frauen und Kinder nehmen demnach aufgrund geringeren Konsums und Körpergewichts etwas weniger auf, etwa 74.000 bis 94.000 Partikel pro Jahr. Dies ergibt für Erwachsene etwa 1.700 bis 2.300 Partikel pro Woche bzw. 7.300 bis 10.100 Partikel pro Monat. Die Studie betonte, dass diese Zahlen wahrscheinlich zu niedrig sind, da nicht alle Quellen wie beispielsweise verarbeitete Lebensmittel berücksichtigt wurden.

In Bezug auf die Masse an Mikroplastik ist die Quantifizierung schwieriger, da sowohl Partikelgröße als auch Partikeldichte variieren. In einer weiteren Studie, 2021 im Journal of Hazardous Materials publiziert, bezifferte die wöchentliche Aufnahme auf etwa 0,1 bis 5 Gramm Mikroplastik pro Person. Dies entspricht etwa 0,4 bis 20 Gramm pro Monat und fünf bis 260 Gramm pro Jahr. Die große Spanne resultiert aus Unsicherheiten in der Partikelgröße und der Partikeldichte sowie aus regionalen Unterschieden im Konsumverhalten.

Eine weitere Untersuchung aus dem gleichen Jahr bestätigte diese Schätzungen und gibt an, dass die Mikroplastikaufnahme in westlichen Ländern durchschnittlich bei etwa einem bis zehn pro Gramm konsumiertem Lebensmittel liegt. Für Trinkwasser aus Plastikflaschen wurden Konzentrationen von bis zu 370.000 Partikeln pro Liter nachgewiesen, was bei einem täglichen Konsum von zwei Litern zu einer erheblichen jährlichen Exposition führt. Die Forschenden wiesen außerdem darauf hin, dass der Mensch zudem große Mengen von Mikroplastik über die Atemwege aufnimmt, was Erkrankungen wie Asthma bis Krebs zur Folge haben kann.

Es besteht intensiver Forschungsbedarf. Bis Anfang der 2020er Jahre wurde das Problem Mikroplastik bestenfalls restriktiv behandelt, denn mit Kunststoffen lässt sich viel Geld verdienen: Der Kunststoffmarkt wächst nach wie vor mit bis zu fünf Prozent pro Jahr; Fortune Business Insights schätzt den globalen Kunststoffmarkt für 2025 auf 533,59 Milliarden US-Dollar.

Die Nachlässigkeit, mit der viele VerbraucherInnen ihren Grünabfall entsorgen, ist ein Zeichen dafür, dass das Thema Kunststoffe und Mikroplastik nach wie vor marginalisiert und in der breiten Öffentlichkeit kaum reflektiert wird. Dabei klagen deutschlandweit allerorten Entsorgungsbetriebe über zu viel Plastik und Fremdstoffe im Biomüll – so viele, dass sich das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gezwungen sah, die Bioabfallverordnung (BioAbfV) zu novellieren. Seit dem 1. Mai 2025 gelten strengere Regeln. So dürfen Bioabfälle maximal 0,5 Prozent Kunststoffe enthalten. Werden bei der Abholung der Grünen Tonnen zu viele Fremdstoffe festgestellt, bleiben sie stehen, und die Inhaber müssen nachsortieren. Manche lokale Satzungen sehen vor, dass solche Tonnen später als Restabfall behandelt und geleert werden – auf Kosten der VerursacherInnen. Welche Regeln konkret vor Ort gelten, legt die jeweilige Kommune fest.

Allerdings: Solange nicht entsprechende Gesetze deutlich verschärft, strengere Sanktionen verhängt werden und bundesweite Aufklärungskampagnen für einen Bewusstseinswandel der Bevölkerung sorgen, ist wohl nicht mit einem deutlichen Rückgang von Mikroplastik über die Grünmüllentsorgung zu rechnen.

Lesen Sie auch

Deutschland: Plastikmüllexporte über alles – Pugnalom

Ozean ist Senke von Mikroplastik – Pugnalom

Hamburger Stadtluft erheblich mit Mikroplastik belastet – Pugnalom


Entdecke mehr von Pugnalom

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Autoren-Avatar
LabNews Media LLC
LabNews: Biotech. Digital Health. Life Sciences. Pugnalom: Environmental News. Nature Conservation. Climate Change. augenauf.blog: Wir beobachten Missstände

Kommentar verfassen