Weltbienentag, 20. Mai: Von Nichts kommt Nichts – ein Pugnalom KOMMENTAR

Durch | Mai 20, 2025

Für die allermeisten Menschen ist dieser Tag ein Tag wie jeder andere. Und auch für die Wildbienen bedeutet er: NICHTS. Sie sterben im Stillen. Und sie sterben aus.

Credits: Pugnalom
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So schlimm kann es doch nicht sein, denken viele von uns. Immerhin: Die Regale in Supermärkten und Discountern sind voll, das Obst und Gemüse türmt sich in appetitlichen Bergen und lockt mit satten Farben. Was kann das Verschwinden der einen oder anderen Wildbienenart daran schon geändert haben? Nichts. Schließlich können doch unsere Honigbienen, die fleißigen Zucht-Verwandten, die Arbeit der Wildbienen übernehmen. Ein gutes Argument, finden auch die Lobbyisten von Agrar- und Chemiekonzernen.

Dem Nichts möchten wir von Pugnalom ein Noch entgegensetzen. Noch spüren wir nicht unmittelbar, wie schwer der Verlust einzelner Wildbienenarten wiegt. Noch leben wir in einer Welt des Tomaten- und Apfelüberflusses. Noch sehen wir nicht, wie in unserer unmittelbaren Nachbarschaft ganze Nahrungsketten zusammenbrechen, hören weg, wenn warnende Stimmen den Verlust von Feldlerche, Kiebitz und Rebhuhn in der freien Feldflur beklagen oder selbst ehedem häufige Arten wie Feldsperling, Girlitz, Hänfling oder Grünfink aus unseren Gärten und Siedlungen verschwinden. Welches Kind kann heute noch eine Amsel von einem Star unterscheiden? Wen interessiert wirklich, dass die meisten unserer heimischen Wildvögel auf Insekten als Nahrungsquelle angewiesen sind? Das sind stolze 70 bis 80 Prozent, also 340 bis 400 von rund 500 Arten. Selbst diejenigen Arten, die als erwachsene Vögel Körner fressen, ziehen ihre Jungen mit Insektennahrung auf.

Wir sind unserer natürlichen Umwelt entfremdet und nehmen Abschiede nicht schwer genug. Das zeigen allein die Zahlen:

  • In den vergangenen 40 Jahren ist die Zahl der Brutvögel in Europa dramatisch gesunken: Seit 1980 sind zwischen 18 und 19 Prozent, also rund 600 Millionen Brutvögel, verloren gegangen.
  • Die Internationale Union für Naturschutz (IUCN) beziffert, dass von den erfassten 163.040 Tieren, Pflanzen und Pilzen 45.000 als bedroht gelten.
  • Von den schätzungsweise 25.000 bis 33.000 Insektenarten in Deutschland (je nach Quelle) sind in regionalen Roten Listen etwa 53 Prozent gefährdet oder ausgestorben (Nordrhein-Westfalen); bundesweit gilt das für 42 Prozent der erfassten Insektenarten. Global ist es kaum anders: Hier liegt die Rate zwischen 33 und 41 Prozent.
  • Unter den Wildbienen sind Hummeln mit rund 26 Prozent besonders betroffen. Die Sandbienen-Art Andrena transitoria erlebte in den letzten zehn Jahren einen Populationsrückgang von 30 Prozent.

Wir drohen zu verlieren, was wir nicht ersetzen können. Denn Insekten liefern nicht nur ihren Fressfeinden wertvolle Proteine, sie versorgen über ihre essentielle Bestäubungsleistung andere Lebewesen, inklusive uns Menschen, mit Nahrung. Und hierunter fallen nicht nur die Wildbienen, sondern auch Falter, Motten und Käfer, und selbst so verkannte Arten wie Fliegen und Wespen gehören dazu.

Doch was helfen all die Zahlen, wenn das Echo in den Medien verhallt? Dann geht JedeR zum Tagwerk über, besprüht den ungeliebten Bewuchs zwischen den Fugen der Gehwegplatten und auf den Schotterwüsten vor dem Haus mit Roundup & Co, mäht spätestens alle zwei Wochen Rasen, freut sich über sein Koniferen-Grün, das ihn zu keiner Jahreszeit mit Abfall wie Laub, Früchten oder vertrockneten Blüten ärgert, und kauft Obst und Gemüse nur aus industriellem Anbau, weil er regionalen Öko-Landbau für ein Hirngespinst grüner Schwurbler oder prinzipiell für zu teuer hält.

Wir haben uns mit unserer, auf Wohlstand, Schnäppchenjagd und permanentes Wachstum ausgerichteten Lebensweise eine Welt geschaffen, die nicht nur einen Großteil seiner angestammten Bewohner verliert, sondern komplett verarmt und letztlich sogar unsere Existenz bedroht. Schauen wir uns um:

  • Die Dörfer verstädtern, prunken mit Schottergärten, baumlosem Golfrasen und Kirschlorbeerhecken. Weit und breit keine blühenden Pflanzen, mit denen Insekten etwas anfangen könnten. Forsythie, Petunien, Begonien oder Geranien mögen farbenprächtige Akzente setzen, aber Pollen oder Nektar bieten sie ebenso wenig wie die meisten gefüllten Blumensorten.
  • Nach wie vor überwiegen in der Landwirtschaft riesige Monokulturflächen – nur unwesentlich unterbrochen von wenigen verbliebenen Feldgehölzen. Überhaupt sind Feldgehölze die Stiefkinder vieler Bauern: Sie werden beschlegelt und zu kastenförmigen Gebilden verunstaltet; zerfetzte Stummel, die von Pilzen befallen werden und langsam absterben, sind die Folge. Zu wenig und falsch behandelt – hier ist kein Platz für Tiere. Darüber hinaus werden die durch Düngung und Pestizid-Eintrag ohnehin in Mitleidenschaft genommenen Feldraine wie heimische Rasenflächen behandelt und permanent kurz gehalten. Eintönige Gras-Brennnessel-Wegränder ohne Feldblumenfülle sind die Folge.
  • Die Verwaltungen in zahlreichen Städten überbieten sich geradezu in sogenannten Pflegemaßnahmen für das öffentliche Grün. Größere Bäume – insbesondere Linden, die so wichtig als Spättracht sind – werden bis zur Unkenntlichkeit gekappt, Rasenflächen unter Gänseblümchen-Höhe gehalten, Parks von Sträuchern freigeschnitten und der „Fremd“-Bewuchs unterdrückt. Auch hier: keine sinnvolle Bepflanzung, keine Hilfe.
  • Unter dem Totschlagargument der Verkehrssicherung lassen Verantwortliche über -zig Kilometer ganze Baum- und Strauchstreifen des Straßenbegleitgrüns ausräumen. Was als Nutzholz nicht taugt, wird auf den Hängen verblasen und erstickt dort alles, was nicht rechtzeitig davon kam. Unmengen an Holzhäckseln verschieben nicht nur den Nährstoffgehalt des Bodens (und besiegeln damit die zukünftige Pflanzenzusammensetzung), sie begraben Kleinsttiere und Schnecken unter sich, lassen Kräuter absterben und verschütten Siedlungsgebiete für Wildbienen.

Wir führen nicht genug Buch über unsere Eingriffe. Verzicht ist unsere Sache nicht, und auch nicht Einsicht. Aber Zahlen sind eben nicht nur Zahlen. Zahlen stehen auch als Summe unter einer Rechnung, die wir irgendwann nicht mehr begleichen können.


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