Ein Leben im Kampf gegen die Folgen von Glyphosat
Ludovic Maugés Geschichte ist ein erschütterndes Beispiel für die potenziellen Gefahren von Glyphosat, einem Herbizid, das seit seiner Einführung 1974 durch den US-Konzern Monsanto unter dem Markennamen „Roundup“ weltweit Verbreitung gefunden hat. Maugé arbeitete jahrzehntelang als Landschaftsgärtner und setzte Glyphosat regelmäßig ein, um Unkraut zu bekämpfen. „Vor 20 Jahren war es überall zu finden“, erinnert er sich. „Wir haben einfach mit einem Sprühgerät auf dem Rücken gearbeitet, in einem T-Shirt, ohne jeglichen Schutz.“ Die Sprühgeräte waren oft undicht, und die Chemikalie durchnässte regelmäßig seine Kleidung und Haut.

Erst als er schwer erkrankte, wurde der Zusammenhang klar: Bluttests zeigten, dass sein Körper mit Glyphosat vergiftet war. Seit 2020 ist sein Leben ein täglicher Überlebenskampf. Sechs Monate verbrachte er auf der Intensivstation, gefolgt von zwölf aufeinanderfolgenden Chemotherapien. „Meine Krankheit war sehr schwer zu diagnostizieren, weil es sich um ein sehr seltenes Lymphom handelt“, erzählt Maugé. „Es war eine medizinische Odyssee von sechs bis sieben Monaten.“ Heute ist er arbeitsunfähig und lebt mit den physischen und emotionalen Narben seiner Krankheit.
Glyphosat: Ein globales Streitthema
Glyphosat ist das meistverkaufte Herbizid der Welt, doch es steht seit Jahren im Zentrum einer hitzigen Debatte. 2015 stufte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Studien, unter anderem vom französischen Nationalen Institut für Gesundheit und medizinische Forschung (INSERM), haben einen wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Glyphosat und bestimmten Krebsarten festgestellt.
Trotz dieser Warnungen hat die Europäische Union die Zulassung von Glyphosat im November 2023 um weitere zehn Jahre bis 2033 verlängert. Diese Entscheidung stützt sich auf Berichte der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), die keine „kritischen Bereiche“ für die Gesundheit festgestellt haben wollen. Kritiker, darunter Umweltorganisationen wie das Pesticide Action Network (PAN) Europe, werfen den Behörden vor, wissenschaftliche Beweise für die Gefährlichkeit von Glyphosat zu ignorieren und den Einfluss der Pestizid-Lobby zu unterschätzen.
Die Verlängerung der Zulassung hat bei vielen Betroffenen wie Ludovic Maugé Empörung ausgelöst. „Wenn ich sehe, dass Politiker diese Produkte wieder zulassen, macht mich das wütend“, sagt er. „Das ist die Pestizid-Lobby. Leider können wir gegen diese Politiker und Bayer-Monsanto nichts ausrichten.“ Für ihn ist klar: „Glyphosat hat mein Leben zerstört – es hat mich vergiftet. Diese Produkte zerstören Menschen und die Natur.“
Der Einfluss der Pestizid-Lobby
Die Kritik an der Pestizid-Lobby wird von Experten wie François Lafforgue unterstützt, einem Anwalt, der sich auf Fälle von Pestizidopfern spezialisiert hat. Lafforgue war der erste, der einen Zusammenhang zwischen den Erkrankungen seiner Mandanten und dem Einsatz von Glyphosat gerichtlich nachweisen konnte. „Wir stehen einer echten Pestizid-Lobby gegenüber, die versucht, die Gefahren von Pestiziden zu verschleiern, damit sie weiterhin von Landwirten und ihren Mitarbeitern verwendet werden“, erklärt er. Er kritisiert, dass die Studien, die die erneute Zulassung von Glyphosat rechtfertigen, nicht schlüssig seien und wissenschaftliche Beweise für die Gefährlichkeit der Substanz ignoriert würden.
Bayer, das Monsanto 2018 übernahm, steht weltweit vor Tausenden von Klagen. In den USA wurden bereits zahlreiche Prozesse gegen das Unternehmen gewonnen, bei denen Kläger hohe Schadensersatzzahlungen zugesprochen bekamen. Ludovic Maugé fehlt jedoch die Kraft, selbst rechtliche Schritte einzuleiten. Sein Fokus liegt darauf, seine Geschichte zu erzählen und andere vor den Gefahren von Glyphosat zu warnen.
Öffentlicher Druck und politische Kontroverse
Die Entscheidung der EU, Glyphosat weiter zuzulassen, steht im Widerspruch zum Willen vieler Europäer. Laut einer IPSOS-Umfrage in sechs EU-Ländern befürworten nur 14 Prozent der Bürger die Verlängerung der Zulassung. In Brüssel demonstrierten kürzlich NGOs und Bürger gegen die Entscheidung. João Camargo, ein Forscher im Bereich Agrarindustrie, betonte: „Wir müssen weiter gegen Glyphosat kämpfen, denn die Entscheidung, dieses Gift für weitere zehn Jahre zuzulassen, ist inakzeptabel. Es ist eine Frage der Gesundheit, der Landwirtschaft und der Zukunft.“
Auch im Europäischen Parlament gibt es Uneinigkeit. Gilles Lebreton, ein Abgeordneter der französischen rechtspopulistischen Partei Rassemblement National, erkennt die Schädlichkeit von Glyphosat an, plädiert aber für eine befristete Zulassung von fünf Jahren. Er argumentiert, dass die Lebensmittelsicherheit eine Rolle spiele und die Gemeinsame Agrarpolitik die Landwirtschaft in eine industrielle Richtung gedrängt habe.
Ein Appell für Veränderung
Trotz seines täglichen Leidens gibt Ludovic Maugé nicht auf. Sein Ziel ist es, seine Botschaft zu verbreiten und die Öffentlichkeit für die Gefahren von Glyphosat zu sensibilisieren. „Wenn ich der Europäischen Union etwas zu sagen hätte, dann dies: Verbieten Sie diese Produkte einfach“, sagt er mit Nachdruck. Seine Geschichte ist nicht nur ein persönliches Drama, sondern ein Weckruf für eine umfassende Debatte über den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und ihre Auswirkungen auf Mensch und Umwelt.
Die EU steht vor einer Herausforderung: Wie kann sie die Interessen der Landwirtschaft mit dem Schutz der Gesundheit und der Umwelt in Einklang bringen? Während die Pestizid-Lobby weiterhin Einfluss ausübt, fordern Betroffene wie Ludovic Maugé und Umweltorganisationen ein Umdenken. Für Maugé ist die Sache klar: „Diese Produkte zerstören Menschen und die Natur.“ Sein Appell hallt nach – die Frage ist, ob er gehört wird.
Quelle: Euronews, 18.06.2025
Entdecke mehr von Pugnalom
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

