Bio-Siegel sind aus Supermarktregalen ebenso wenig wegzudenken wie aus Werbeanzeigen für Kleidung, Kosmetik oder Gartenprodukte. Die Vielfalt an bestehenden Labels vermittelt den Eindruck, dass nachhaltiger Konsum mit dem Kauf entsprechend gekennzeichneter Produkte problemlos möglich ist. Doch eine genauere Betrachtung zeigt, dass echte Sicherheit nur in wenigen Bereichen garantiert ist, während andere Segmente weitgehend auf freiwilligen, oft schwer durchschaubaren Herstellerangaben beruhen.

Für Lebensmittel ist die Situation am klarsten geregelt. In der Europäischen Union gilt seit Juli 2010 die EU-Öko-Verordnung (aktuell: VO (EU) 2018/848), die einheitliche Mindeststandards für ökologisch erzeugte Lebensmittel vorschreibt. Alle verpackten Bio-Lebensmittel, die in der EU hergestellt werden, müssen das grüne EU-Bio-Logo tragen; daneben kann, freiwillig, auch das sechseckige deutsche Bio-Siegel abgebildet sein. Die Anforderungen sind gesetzlich verbindlich: Mindestens 95 Prozent der Zutaten müssen aus biologischem Landbau stammen. Der Einsatz von Gentechnik, leichtlöslichen Mineraldüngern, chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln und eine Vielzahl an Zusatzstoffen ist verboten oder streng eingeschränkt. Zudem werden alle Betriebe, die Bio-Produkte erzeugen, verarbeiten oder importieren, durch staatlich überwachte, aber privatwirtschaftlich organisierte Kontrollstellen mindestens jährlich inspiziert – erkennbar am Codenummern-System (z.B. DE-ÖKO-XXX). Auch die Importregeln für Bio-Produkte aus Drittstaaten folgen ab 2025 strengen Vorgaben. Damit ist in diesem Bereich auf die gesetzliche Regulierung und das Bio-Label tatsächlich Verlass.
Anders sieht es bei Textilien, Kosmetika und Gartenprodukten aus. Für Kleidung ist zwar bereits der Anbau von Öko-Baumwolle über die EU-Bioverordnung geregelt, doch endet die Kontrolle nach der Ernte: Verarbeitung, Färbung und Endprodukt lassen sich nicht über das EU-Bio-Siegel abbilden. Hier haben sich eine Vielzahl privater Label etabliert wie GOTS (Global Organic Textile Standard) oder iVN Best. Diese Siegel sind freiwillig und unterscheiden sich in ihren Anforderungen, ihrer Rückverfolgbarkeit und der Prüfinfrastruktur. VerbraucherInnen müssen sich also mühsam über die jeweiligen Kriterien informieren, anstatt sich auf ein verbindliches staatliches Siegel verlassen zu können.
Bei Kosmetika gibt es kein EU-Bio-Label. Einige europäische Bio-Kontrollstellen vergeben zwar Prüfsiegel für Bio-Kosmetik, aber es handelt sich nicht um eine gesetzlich zwingende Regelung. Marken wie Ecocert oder Natrue bemühen sich um Transparenz, allerdings basieren ihre Kriterien auf eigenen Regelwerken. Als Mindeststandard soll hier gelten: Pflanzliche und tierische Bestandteile landwirtschaftlichen Ursprungs müssen zu mindestens 95 Prozent den EU-Vorschriften für biologische Produktion entsprechen. Für den Naturkosmetik-Bereich gibt es z.T. ähnlich strenge, aber ebenfalls freiwillige Anforderungen. Mischprodukte wie Cremes, deren Hauptbestandteil Wasser ist, dürfen bislang selbst mit minimalen Bio-Anteilen als „bio“ beworben werden. Im Regal tragen diese Artikel zwar stattliche Siegel, aber ohne rechtlichen Rahmen für den gesamten Kosmetikbereich bleibt das Risiko für irreführende Werbeaussagen entsprechend hoch.
Noch schwieriger gestaltet sich die Lage bei Gartenprodukten wie Pflanz- und Blumenerden, Düngern oder Samen. Hier fehlen verbindliche Regelungen für die Bio-Kennzeichnung fast vollständig – häufig müssen sich potenzielle KäuferInnen auf Angaben und Eigen-Label der Hersteller verlassen. Zwar existieren auch hier private Prüfzeichen oder Verweise auf Bio-Qualität, deren Aussagekraft schwankt jedoch erheblich. Nur wenn Grundstoffe wie Saatgut als Lebensmittel in Verkehr gebracht werden, greifen die EU-Bioverordnung und das entsprechende Siegel.
Vor diesem Hintergrund sollten VerbraucherInnen, die Wert auf echte Bio-Qualität legen, für Lebensmittel konsequent auf das EU-Bio-Logo mit Angabe der Kontrollstellennummer achten oder bei den etablierten Bio-Anbauverbänden wie Demeter, Bioland, Naturland, Ecoland oder Gäa einkaufen. Im Textilbereich bieten teils vertrauenswürdige, aber freiwillige Siegel wie GOTS oder IVN Orientierung, erfordern jedoch eigenes Nachlesen. Bei Kosmetika und Gartenprodukten helfen nur detaillierte Produktrecherche, der Blick ins Kleingedruckte und auf die Inhaltsstoffe – allerdings fehlt die Angabe der Ingredienzen auf einer Vielzahl der Produkte entweder komplett oder ist bestenfalls auf Englisch angegeben. Skepsis gegenüber wohlklingenden, aber unregulierten Werbeaussagen ist auf jeden Fall angebracht. Wo „Bio“ auf Lebensmitteln steht, ist das Bio-Siegel dank klarer Gesetze und Kontrollen eine sichere Wahl. In anderen Produktgruppen hingegen bleibt Bio meist ein irreführendes Werbeversprechen.
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