Katharina Reiche, CDU-Politikerin und seit Mai 2025 Bundesministerin für Wirtschaft und Energie im Kabinett Merz, steht im Zentrum einer Debatte über den Niedergang der deutschen Solarindustrie. Ihre Rolle in der EEG-Novelle von 2012 als Parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium unter Norbert Röttgen wird als Auslöser für den Kollaps der Branche gesehen, der Tausende Jobs kostete und die Produktion ins Ausland verlagert hat. Nun, in ihrer neuen Position, fordert Reiche die Streichung der Einspeisevergütung für neue private Photovoltaik-Anlagen und eine Drosselung des Ausbaus erneuerbarer Energien, was Kritiker als Versuch werten, die Energiewende rückläufig zu machen. Diese Politik, geprägt von Kostendruck und Netzausbau-Argumenten, bedroht nicht nur den aktuellen Boom der Dach-PV, sondern vertieft den historischen Schaden. Basierend auf offiziellen Berichten, Branchenanalysen und politischen Debatten beleuchtet diese Analyse die Ursachen, Auswirkungen und langfristigen Konsequenzen, um zu zeigen, wie Reiches Ansätze die Solarbranche systematisch schwächen.

Historischer Kontext: Die EEG-Novelle 2012 als Wendepunkt
Der Aufstieg der deutschen Solarbranche in den 2000er Jahren war ein Erfolg des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) von 2000, das eine garantierte Einspeisevergütung für 20 Jahre einführte und den Zubau von Photovoltaik-Anlagen (PV) explosionsartig antrieb. Bis 2010 installierte Deutschland weltweit die meisten PV-Anlagen, mit einer jährlichen Wachstumsrate von über 100 Prozent. Die Branche schuf rund 300.000 Jobs, und Firmen wie Q-Cells oder Solarwatt wurden zu globalen Playern. Die EEG-Umlage finanzierte dies durch eine Abgabe auf Stromverbraucher, die den Übergang zu marktfähigen Preisen ebnen sollte.
Dies änderte sich 2012: Unter der Regierung Merkel und mit Reiche als Staatssekretärin im Umweltministerium wurde eine Novelle verabschiedet, die die Vergütungssätze für neue Anlagen um bis zu 30 Prozent kürzte und jährliche Degressionen von 20 Prozent einführte – weit höher als die geplanten 5–8 Prozent. Zudem wurde eine EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch erhoben, was den wirtschaftlichen Anreiz für kleine Anlagen minderte. Gegen diese Maßnahmen protestierten Branchenverbände wie der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) und der Energieexperte Hans-Josef Fell, der als Mitautor des EEG 2000 warnte, dies würde die Industrie „unwirtschaftlich machen“. Die Novelle zielte auf Kostendämpfung ab, da die Umlage 2012 auf 19 Cent/kWh gestiegen war und die Industrie belastete. Doch sie ignorierte den Markteffekt: Günstige Importe aus China unterbieten deutsche Produkte, und der plötzliche Förderabbruch machte Investitionen unrentabel.
Reiches Beteiligung war zentral: Als Koordinatorin für Erneuerbare Energien trieb sie die Novelle voran, trotz interner Warnungen. Bis 2013 schrumpfte die Branche dramatisch: Q-Cells ging insolvent, 40.000 Jobs gingen verloren, und die Produktionskapazitäten halbierten sich. Deutschland fiel von Platz 1 auf Platz 4 im globalen PV-Ausbau, während China 80 Prozent des Marktes eroberte. Der Bundesrechnungshof kritisierte später, dass die Novelle den Innovationszyklus unterbrach und langfristig höhere Importabhängigkeit schuf.
Aktueller Stand: Reiches Pläne 2025 als Echo der Vergangenheit
Seit ihrem Amtsantritt 2025 als Wirtschaftsministerin setzt Reiche auf Kostensenkung und Marktorientierung. Im Juli 2025 forderte sie in einem BDI-Treffen eine Drosselung des EE-Ausbaus, um Netzkosten zu senken, und plädierte für 20 GW neuen Gaskraftwerke. Im August kündigte sie die Streichung der Einspeisevergütung für neue PV-Anlagen bis 10 kWp an – ein „Business Case“ ohne Subventionen, da PV-Preise gesunken seien. Bis 2026 sei dies europarechtlich vorgeschrieben (EU-Strommarktpaket), und bestehende Anlagen blieben geschützt. Weitere Maßnahmen: Beteiligung von PV-Betreibern an Netzausbau-Kosten und räumliche Steuerung des Zubaus, um Überlastungen zu vermeiden.
Der Monitoringbericht vom September 2025, den Reiche in Auftrag gab, untermauert dies: EE decken 60 Prozent des Stroms, doch Kosten von 18 Milliarden Euro jährlich seien zu hoch. Reiche schlägt Alternativen wie leistungsbezogene Prämien vor, betont aber: „Die Energiewende steht am Scheideweg.“ Dies stößt auf Widerspruch: Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) warnt vor einem Einbruch beim Dach-PV-Ausbau, der 2024 mit 14 Prozent der Stromversorgung 150.000 Jobs sichert. Die Verbraucherzentrale kritisiert, dass der Wegfall der Vergütung die Mehrwertsteuerbefreiung gefährdet und Anlagen um 19 Prozent verteuert.
Reiches Hintergrund als Ex-Vorständin bei E.ON und Westenergie (bis 2023) nährt Vorwürfe: Energieversorger wie E.ON fordern ähnlich Förderstopps, da PV-Netzanschlüsse Kosten verursacht. Der VKU, ein weiterer Ex-Arbeitgeber, plädierte im März 2025 für dasselbe. Kritiker wie die Grünen und Umweltverbände sehen hier Lobbyeinfluss: Reiche priorisiert Industrieentlastung über dezentrale Energiewende.
Ursachen: Politische Prioritäten und wirtschaftliche Argumente
Reiches Politik wurzelt in der CDU-Linie: Kostendämpfung für Verbraucher und Industrie, da die EEG-Umlage 2012 6,8 Cent/kWh ausmachte und energieintensive Betriebe (z. B. ThyssenKrupp) befreit waren. Die Abschaffung der Umlage 2022 entlastete Haushalte, doch nun lastet der Ausbau auf Steuern. Reiche argumentiert, PV rechne sich marktseitig (LCOE unter 5 Cent/kWh), und Förderung sei überflüssig. Zudem soll räumliche Steuerung (z. B. weniger PV im Norden) Netzkosten senken, die bis 2045 110 Milliarden Euro kosten.
Kritiker kontern: Die Novelle 2012 zerstörte den „Business Case“ durch plötzliche Kürzungen, nicht durch Marktreife. Heute behindert fehlender Ausbau intelligenter Zähler und Speicher den Eigenverbrauch. Reiches Fokus auf Gaskraftwerke widerspricht dem Klimaziel (80 Prozent EE bis 2030), da Gas teurer ist als PV-Wind-Kombinationen. Der Europäische Gerichtshof urteilte 2014, dass EEG-Vergütungen keine Subventionen sind, wenn marktfinanziert – ein Punkt, den Reiche ignoriert.
Auswirkungen: Jobverluste, Importabhängigkeit und Klimaschäden
Die 2012-Novelle führte zu massiven Verlusten: Bis 2015 fiel der PV-Zubau um 70 Prozent, von 7,5 GW auf 1,4 GW jährlich. Insolvenzen wie bei Solon oder Conergy kosteten 20.000 Jobs; die Branche schrumpfte auf 100.000 Beschäftigte. Deutschland importiert nun 95 Prozent der Module aus China, was Abhängigkeiten schafft und CO2-Fußabdrücke erhöht (Transport und Billigproduktion). Wirtschaftlich: Verpasster Umsatz von 50 Milliarden Euro bis 2020, und Verlust der globalen Führung.
Aktuell drohen ähnliche Effekte: Der DGS schätzt, dass ein Förderstopp den Dach-PV-Ausbau um 50 Prozent bremst, was 75.000 Jobs gefährdet. Kommunen wie Bonn warnen vor verfehlten Klimazielen; die DUH sieht eine „Drosselung der dezentralen Energiewende“. Langfristig: Höhere Netzkosten durch ungleichmäßigen Ausbau, und Verzögerung der Klimaneutralität bis 2045. Die SPD drückt Unbehagen aus; Umweltminister Schneider betont, EE seien „Kostensenker“.
Politische und administrative Hürden: Koalitionskonflikte und Lobbydruck
In der CDU/SPD-Koalition kollidieren Reiches Pläne mit SPD- und Grünen-Positionen: Die SPD fordert keine „künstlichen Hürden“, und der Koalitionsvertrag verankert 80 Prozent EE. Europarecht zwingt zu Anpassungen, doch Reiches radikaler Ansatz (keine Vergütung) überschreitet dies. Administrative Hürden: Netzbetreiber verzögern Anschlüsse, und fehlende Standards für Speicher behindern Flexibilität. LobbyEinfluss von E.ON (Reiches Ex-Arbeitgeber) verstärkt dies: Der Konzern blockte PV-Anschlüsse, was die Bundesnetzagentur untersucht.
Geplante Maßnahmen und Lösungsansätze: Ein Ausweg aus der Sackgasse
Reiche plant bis Ende 2025 eine EEG-Reform mit marktbasierter Förderung, inklusive Prämien für Speicher und Energy Sharing. Der Monitoringbericht schlägt Investitionszuschüsse statt Vergütungen vor, und 10 GW neuen Gaskraftwerke als Brücke. Branchenexperten fordern: Langsame Auslaufen der Vergütung, Erhalt der MwSt.-Befreiung und Förderung von Community-Energy. Das BMBF investiert 500 Millionen Euro in PV-Forschung, um heimische Produktion zu stärken. Internationale Kooperationen (z. B. mit EU-Green-Deal) könnten Importe reduzieren.
Ausblick: Von der Zerstörung zur Revitalisierung?
Katharina Reiches Politik hat die Solarbranche 2012 zerstört und droht 2025, den aktuellen Aufschwung zu killen – durch Förderkürzungen, die Innovationen und Jobs opfern. Dies widerspricht der EEG-Erfolgsgeschichte und Klimazielen, priorisiert Industrie über Nachhaltigkeit. Ohne Kompromisse (z. B. hybride Modelle mit Speichern) riskiert Deutschland Abhängigkeit und Verzögerungen. Die Debatte zeigt: Die Energiewende braucht Stabilität, nicht Rückschritte. Bis 2030 könnte ein Kurswechsel den Markt auf 100 GW PV bringen – vorausgesetzt, Politik lernt aus der Vergangenheit.
Quellen
- pv-magazine.de – Wirtschaftsministerin Reiche will – wie bereits 2012 – die Wirtschaft der erneuerbaren Energien erneut unwirtschaftlich machen (https://www.pv-magazine.de/2025/07/09/wirtschaftsministerin-reiche-will-wie-bereits-2012-die-wirtschaft-der-erneuerbaren-energien-erneut-unwirtschaftlich-machen/)
- energiewende-tipps.de – Wie Katherina Reiche die Photovoltaikbranche gefährdet (https://energiewende-tipps.de/katherina-reiche-photovoltaikbranche/)
- t-online.de – Reiche will Einspeisevergütung für Solar streichen (https://www.t-online.de/digital/aktuelles/id_100861986/reiche-will-einspeiseverguetung-fuer-solar-streichen.html)
- sonnenseite.com – Wirtschaftsministerin Reiche will Erneuerbaren Energien unwirtschaftlich machen (https://www.sonnenseite.com/de/politik/wirtschaftsministerin-reiche-will-wie-bereits-2012-die-wirtschaft-der-erneuerbaren-energien-erneut-unwirtschaftlich-machen/)
- adac.de – Einspeisevergütung für PV-Anlagen: Aktueller Stand der EEG-Förderung (https://www.adac.de/rund-ums-haus/energie/spartipps/einspeiseverguetung-pv-anlagen/)
- tagesschau.de – Wie Wirtschaftsministerin Reiche die Energiewende gestalten will (https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/wirtschaftsministerin-reiche-energiewende-100.html)
- zeit.de – Solaranlagen: Verbraucherzentrale kritisiert geplante Kürzungen bei Solarenergie (https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-09/verbraucherzentrale-katharina-reiche-solaranlage-einspeiseverguetung)
- pv-magazine.de – Offener Brief: DGS kritisiert Bundeswirtschaftsministerin Reiche (https://www.pv-magazine.de/2025/08/19/offener-brief-dgs-kritisiert-bundeswirtschaftsministerin-reiche/)
- energiezukunft.eu – Verbände und Kommunen gegen die Pläne der Wirtschaftsministerin (https://www.energiezukunft.eu/politik/verbaende-und-kommunen-gegen-die-plaene-der-wirtschaftsministerin)
- mdr.de – Reiche will Subventionen für erneuerbare Energien abbauen (https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/reiche-monitoring-energiepolitik-102.html)
- n-tv.de – Hans-Josef Fell: „Katherina Reiche weiß seit 20 Jahren, dass es auch ohne Gaskraftwerke geht“ (https://www.n-tv.de/politik/Hans-Josef-Fell-Katherina-Reiche-weiss-seit-20-Jahren-dass-es-auch-ohne-Gaskraftwerke-geht-article25974523.html)
- zfk.de – Ministerin Reiche stellt Förderung für private Photovoltaik infrage (https://www.zfk.de/politik/deutschland/ministerin-reiche-foerderung-private-solaranlagen-beenden-reaktionen)
- zfk.de – Solarförderung vor dem Aus? Druck auf Ministerin Reiche wächst (https://www.zfk.de/energie/strom/solar-foerderung-reiche-verunsichert-kunden)
- zfk.de – Solarförderung-Kürzung: SPD-Unbehagen über Reiche-Vorstoß (https://www.zfk.de/politik/deutschland/solarfoerderung-heizungswende-spd-cdu-csu-reiche)
- bild.de – Berlin: Reiche beendet Solar-Förderungen (https://www.bild.de/politik/inland/berlin-reiche-beendet-solar-foerderungen-68c7e1f9be091b0db446e5eb)
- pv-magazine.de – Katherina Reiche fordert Realitätscheck für die Energiewende (https://www.pv-magazine.de/2025/05/09/katherina-reiche-fordert-realitaetscheck-fuer-die-energiewende/)
- augsburger-allgemeine.de – Wechsel bei der Einspeisevergütung: Wirtschaftsministerin Reiche setzt private Solaranlagen unter Druck (https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/wechsel-bei-einspeiseverguetung-wirtschaftsministerin-reiche-setzt-private-solaranlagen-unter-druck-110580116)
- spiegel.de – Energiewende in Deutschland: Katherina Reiche will erneuerbare Energien ausbremsen (https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/energiewende-in-deutschland-katherina-reiche-will-erneuerbare-energien-ausbremsen-a-0e6871c3-2606-437f-9f61-53b11a808adc)
- erneuerbareenergien.de – Branche zieht vor Gericht (https://www.erneuerbareenergien.de/markt/photovoltaikmarkt/kommentar-zur-eeg-umlage-auf-eigenverbrauch-branche-zieht-vor-gericht)
Entdecke mehr von Pugnalom
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

