GEOMAR-Expedition startet: Neue Technologien gegen Munitionsaltlasten in der Ostsee

Durch | Oktober 16, 2025

Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel nimmt mit der zweiten von drei geplanten Expeditionen die Auswirkungen von Munitionsaltlasten aus den Weltkriegen auf die Ostsee unter die Lupe. Die 14-tägige Fahrt mit dem Forschungsschiff ALKOR (Expedition AL642) startet heute von Kiel aus und testet fortschrittliche Unterwassertechnologien zur Kartierung und Analyse von konventioneller sowie chemischer Munition. Fokus liegen auf dem Bornholm-Becken, polnischen Gewässern, der Lübecker Bucht und dem Kleinen Belt, wo hunderttausende Tonnen Munition den Meeresboden belasten.

Seit den Weltkriegen lagern schätzungsweise 1,6 Millionen Tonnen konventionelle Munition allein vor der deutschen Nord- und Ostseeküste auf dem Meeresboden. Insgesamt belaufen sich die Mengen in der Ostsee auf Hunderttausende Tonnen, darunter auch Chemiewaffen. Die korrodierenden Metallhüllen setzen zunehmend giftige Stoffe frei, wie TNT, RDX oder Kampfstoffe. In der südwestlichen Ostsee wurden bereits rund 3.000 Kilogramm toxische Chemikalien freigesetzt, was Ökosysteme bedroht und die Wasserqualität beeinträchtigt. Die Expeditionen des GEOMAR in 2025 und 2026 zielen darauf ab, die genaue Belastung zu quantifizieren, Risiken zu bewerten und Lösungen für eine sichere Räumung zu entwickeln.

Munitionsaltlasten in der Ostsee. Symbolbild. Credits: Pugnalom by LabNews Media LLC
Symbolbild Credits Pugnalom by LabNews Media LLC

Während der Fahrt kommen autonome und ferngesteuerte Unterwasserroboter zum Einsatz, die den Meeresboden akustisch kartieren, hochauflösende Bilder und Videos aufnehmen sowie Wasser- und Sedimentproben entnehmen. An Bord werden diese mit einem mobilen Analysegerät auf Sprengstoffrückstände untersucht. Ein zentraler Aspekt ist die Weiterentwicklung der Fahrzeuge: Sie sollen künftig Objekte autonom erkennen, klassifizieren und ihre Suchstrategien in Echtzeit anpassen, um effizienter auf unvorhergesehene Funde zu reagieren.

In der ersten Woche steht die Erkundung polnischer Gewässer und des Bornholm-Beckens im Vordergrund. Hier wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Chemiewaffen versenkt, doch der Zustand der Kampfstoffe ist kaum erforscht. Forscher wollen die Datenlage verbessern und klären, wie stark die Umwelt belastet ist. Fahrtleiter Jens Greinert, Meeresgeologe und Leiter der Arbeitsgruppe Deep Sea Monitoring am GEOMAR, betont die Notwendigkeit, Lücken in der Wissensbasis zu schließen, um fundierte Strategien zu entwickeln.

Die zweite Woche widmet sich der Lübecker Bucht, insbesondere dem Gebiet vor Boltenhagen. Im August 2025 wurden hier im Rahmen des bundesweiten Sofortprogramms mit 100 Millionen Euro Fördermittel erstmals Probebergungen durchgeführt. Taucher und Unternehmen räumten konventionelle Munition, um die Umweltbelastung zu mindern. Das GEOMAR-Team evaluiert nun die ökologischen Effekte: Wie verändert sich die Schadstoffkonzentration? Welche Auswirkungen haben die Bergungen auf Sedimente, Wasserqualität und Meeresleben? Erste Beobachtungen deuten darauf hin, dass gezielte Räumungen die lokale Belastung rasch senken können, ohne weitreichende Störungen zu verursachen.

Zum Abschluss der Expedition geht es in den Kleinen Belt in dänischen Gewässern, wo ebenfalls große Mengen chemischer Munition lagern, die bisher wenig systematisch untersucht wurden. Im Rahmen des Projekts CAMMera bereiten die Wissenschaftler zudem Untersuchungen an Raketensprengköpfen vor, die 2027 geborgen werden sollen. Solche Maßnahmen könnten die Schadstofffreisetzung langfristig reduzieren und die Resilienz des Ökosystems stärken.

Die Expedition unterstützt übergeordnete Projekte wie CONMAR (für deutsche Gewässer), MUNI-RISK (ostseeweit) und MMinE-SwEEPER (europäisch mit neun Ländern). Beteiligt sind Partner aus Deutschland und Polen, darunter das Institut für Meeresforschung IOPAN. Die Ergebnisse fließen in nationale und EU-Strategien ein, um Risiken zu minimieren und umweltverträgliche Räumkonzepte zu schaffen. Greinert hebt hervor, dass Deutschland als Vorreiter in der großskaligen Meeresmunitionbergung agiert und die Forschung essenziell für einen sicheren Umgang mit diesen Altlasten ist.

Diese Mission unterstreicht die Dringlichkeit, Munitionsaltlasten nicht nur zu lokalisieren, sondern auch ihre Umweltauswirkungen zu verstehen. Die GEOMAR-Expeditionen legen damit den Grundstein für nachhaltige Schutzmaßnahmen in einer der sensibelsten Meeresregionen Europas.

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LabNews: Biotech. Digital Health. Life Sciences. Pugnalom: Environmental News. Nature Conservation. Climate Change. augenauf.blog: Wir beobachten Missstände
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