Der Biber ist eine so genannte Schlüsselart. Damit sind Tiere gemeint, die einen überdurchschnittlichen Einfluss auf die von ihnen bewohnten Ökosysteme haben. Durch ihre Wiederansiedlung werden oft wichtige Ökosystemfunktionen wiederhergestellt. Doch gerade wegen seines großen Einflusses auf Gewässer und Ufer polarisiert der Biber. Vier Forschende des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben in einer wissenschaftlichen Online-Umfrage insgesamt 1.500 Bürger sowie Vertreter der Forst- und Landwirtschaft interviewt.

Von den Befragten stammte etwa die Hälfte aus der breiten Öffentlichkeit und die andere Hälfte aus der Land- bzw. Forstwirtschaft. Die Ergebnisse zeigen, dass die Menschen am Biber interessiert sind: Knapp 60 Prozent äußerten Interesse bis starkes Interesse. Immerhin 36 Prozent freuen sich über den Biber, 44 Prozent sind verärgert. Die Ansichten der Menschen aus den verschiedenen Gruppen sind dabei sehr unterschiedlich. Von der allgemeinen Öffentlichkeit wird der Biber mehrheitlich positiv wahrgenommen – nur 25 Prozent ärgern sich über ihn, während er in der Land- und Forstwirtschaft überwiegend negativ wahrgenommen wird. Bei 75 Prozent der teilnehmenden Landwirte löst er Wutgefühle aus. Unabhängig davon gab es auch regionale Unterschiede. So bewerteten Befragte aus Bayern – dem Bundesland mit den meisten Bibern – den Biber negativer als Teilnehmende aus anderen Bundesländern, auch in der breiten Öffentlichkeit.
Durch ihre Aktivitäten machen große Süßwassertiere wie der Biber Ökosysteme, die durch menschliche Eingriffe sehr homogen geworden sind, in ihrer Struktur vielfältiger. Das wiederum kann die Artenvielfalt fördern. Diese Eingriffe würden Skeptiker des Bibers als Störung ansehen, resümieren die Wissenschaftler. Ihnen zufolge seien Störungen für funktionierende Ökosysteme allerdings unerlässlich. Ein Beispiel dafür sei die Bautätigkeit des Bibers. Naturnahe Flüsse, Seen und Feuchtgebiete sind sehr dynamische Ökosysteme. Sie sind einer Vielzahl von Störungen ausgesetzt, die durch Veränderungen im Wasserhaushalt und durch tierische Aktivitäten verursacht werden. „Das vergessen wir oft, weil wir diese natürliche Dynamik in unseren Kulturlandschaften gar nicht mehr kennen oder bewusst unterdrücken – zum Beispiel durch Regulierung und Fragmentierung von Fließgewässern“, sagt Prof. Sonja Jähnig. So werde zum Beispiel oft angenommen, dass ein konstanter Wasserstand – wie er in den Wasserstraßen angestrebt wird – der beste Zustand für alle Lebewesen im Fluss sei, obwohl das Gegenteil der Fall ist.
Im Prinzip solle man den Biber daher bauen lassen, meint Jähnig. Dabei komme es aber darauf an, welche Landschaftsnutzung vorliegt. „Wir leben in Kulturlandschaften, die von Menschen gestaltet und genutzt werden. Deshalb verstehe ich Förster und Landwirte, die sich über die Aktivitäten des Bibers ärgern“, sagt die Wissenschaftlerin. Dennoch könne man den Biber im Rahmen von Renaturierungsprojekten gezielt einsetzen, um die Revitalisierung von Naturräumen zu fördern und die Artenvielfalt zu erhöhen. Biber hätten beispielsweise die Wasserqualität und die Artenvielfalt in sandigen Tieflandflüssen, die durch die menschliche Nutzung stark beeinträchtigt waren, erheblich verbessert. Somit sei er ein kostengünstiger Beschleuniger der Renaturierung. Aber auch hier müssten die Auswirkungen auf andere Arten, wie z.B. Fische, in die Planung mit einbezogen werden.
Fischökologe Dr. Christian Wolter analysierte die Herr Wolter, als Fischökologe beschäftigen Sie sich mit den Fischgemeinschaften in Fließgewässern. Frau Jähnig hat das schon kurz angesprochen. Was kann die Ausbreitung des Bibers für die Fische im Fluss bedeuten?
„Biberdämme beeinflussen die Hydrologie eines Gewässers und damit auch die Fischfauna“, sagt Co-Autor Dr. Christian Wolter. Dies sei ein Nachteil für strömungsliebende und wandernde Fischarten und ein Vorteil von Stillwasser liebenden Arten. In natürlichen Gewässern lebten Fische und Biber lange Zeit Seite an Seite. Menschliche Eingriffe in die Gewässerökosysteme und der Klimawandel hätten den Druck auf die Fischgemeinschaften erhöht. So seien Tieflandbäche mit Forellen aus der Kulturlandschaft weitgehend verschwunden, so dass jeder durch einen Biberdamm veränderte Bach einen schweren Verlust für die regionale Gewässerfauna darstelle. Wolter rät, den Fließgewässern wieder mehr Raum zu geben, Auen und Nebengerinne zu revitalisieren, den Wasserrückhalt in der Landschaft zu stabilisieren und Trockenheit vorzubeugen. „Wenn Biber ausreichend tiefes Wasser vorfinden, damit ihre Wohnröhren nicht austrocknen, sind sie nicht auf Baumaßnahmen im Sinne von Stauungen angewiesen, und dann können Flussfische und Biber sehr gut koexistieren, was auch dem guten ökologischen Zustand nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie entsprechen würde“, erläutert Wolter. Darüber hinaus fördere die Revitalisierung von Kleingewässern wie Forellentieflandbächen den Wasserrückhalt in der Landschaft zugunsten von Bibern und Flussfischarten.
Originalpublikation
Hohm, M., Moesch, S. S., Bahm, J., Haase, D., Jeschke, J. M., & Balkenhol, N. (2024). Reintroduced, but not accepted: Stakeholder perceptions of beavers in Germany. People and Nature, 6, 1681–1695. https://doi.org/10.1002/pan3.10678
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