Die niedersächsischen Jäger sind auf Krawall gebürstet: Morgen, 30. Januar, wollen sie ihrem Ärger auf einer Großdemo in Hannover Luft machen. Seit Wochen schwelt der Streit um die Novelle des Landesjagdgesetzes, und seit Wochen kämpft die Jägerschaft um einen Beschnitt ihrer bis dato gewährten Rechte.

Wir bei Pugnalom haben uns mit den Einzelheiten beschäftigt und veröffentlichen in loser Folge Kommentare, die den Hintergrund der Änderungen näher beleuchten.
Eine der Neuerungen sieht vor, dass Hunde in Erdbauen von Fuchs oder Dachs nicht mehr eingesetzt werden dürfen.
Wie läuft eine Baujagd eigentlich ab?
Zunächst schickt der Jäger einen sogenannten Bauhund (Rassen wie Teckel/Dacken, Foxterrier, Jagdterrier, Jack Russel Terrier, Border Russel Terrier u.a.) in einen Erdbau. Dessen Aufgabe ist es, das Wild aufzuspüren und aus dem Bau zu drängen, damit es der Jäger, der vor dem Bau wartet, erlegen kann.
Problematisch an der Baujagd sind mehrere Dinge:
- Die Verletzungsgefahr für Wild und Hund ist hoch. Während ein Fuchs eher vor dem Hund zurückweicht, zu fliehen versucht und den Bau verlässt, bleibt ein Dachs oft im Bau und wehrt sich heftig gegen den Eindringling. Beide Tiere können sich schwerste Wunden zufügen.
- Bauhunde werden auch dann eingesetzt, wenn bereits Fuchswelpen im Bau sind, was besonders in den Wintermonaten bis Ende Februar vorkommen kann.
- Die Baujagd muss traniert werden. Hierzu dienen sogenannte Schliefenanlagen, ein künstlich angelegtes System von Erdröhren also, das einem Fuchsbau nachempfunden ist und in einen unterirdischen Raum („Kessel“) mündet. In diesem Kessel ist ein Fuchs eingesperrt. Schieber und Gitter verhindern, dass Hund und Fuchs sich während des Trainings ineinander verbeißen können. Füchse für Schliefenanlagen stammen aus Wildfängen (Fallenjagd). Derzeit gibt es rund 100 Schliefenanlagen, die meist örtlichen Hundevereinen angegliedert sind. Behörden überwachen Schliefenanlagen und die Haltung der Füchse in Deutschland nicht flächendeckend oder systematisch. Es gibt keine gesetzlich vorgeschriebene regelmäßige Kontrolle dieser Anlagen, und viele unterliegen aufgrund ihrer geringen Größe oder fehlender Meldepflichten nicht der behördlichen Aufsicht.
Die Baujagd steht aus tierschutzrechtlichen und ethischen Bedenken zur Disposition. Ein mögliches Verbot in Niedersachsen orientiert sich an ähnlichen Regelungen in anderen Bundesländern. In Baden-Württemberg beispielsweise ist die Jagd im Naturerdbau bereits untersagt, und in Rheinland-Pfalz wird ein solches Verbot aktuell ebenfalls angestrebt. Die Frage, ob auch die Ausbildung von Bauhunden in Schliefenanlagen weiterhin gestattet werden soll oder nicht, ist aktuell noch nicht zu beantworten.
Erwartungsgemäß spricht sich die gesamtdeutsche Jägerschaft sowohl für ein Fortführen der Baujagd als auch für die Ausbildung der Hunde in Kunstbauen aus und hat entsprechendes Infomaterial veröffentlicht. Auf der Internetseite des Deutschen Jagdverbandes heißt es unter anderem:
„Die Fuchsjagd ist in der modernen Kulturlandschaft Deutschland notwendig, weil der Fuchs ein anpassungsfähiger Kulturfolger ist. Er hat seine Bestände seit den 1980er Jahren um das 3- bis 10-fache erhöht. Die Gründe sind vielfältig: Unter anderem hat er sich menschliche Nahrungsquellen erschlossen (Abfälle, Kompost, Katzenfutter). Der frühere Regulationsmechanismus der Tollwut ist durch erfolgreiche Impfung weggefallen. Wenn räuberische Arten wie der Fuchs in unnatürlich hohen Beständen vorkommen, können sie ohnehin bedrohte Arten an den Rand des Aussterbens bringen. Die Fuchsjagd in Kombination mit lebensraumverbessernden Maßnahmen hilft seltenen bodenbrütenden Vögeln wie Trappe, Feldlerche oder Kiebitz.„
Das klingt vernünftig – nur: Wie viel Wahrheit steckt in dieser Behauptung?
Tatsache ist, dass der Einfluss von Füchsen auf die Population der Bodenbrüter komplex und nicht so eindeutig ist, wie der DJV es Glauben machen will. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass nicht der Fuchs per se den Bestand der Bodenbrüter dezimiert, sondern der Mensch verantwortlich ist. Die Zahl der Bodenbrüter sinkt rapide aufgrund von Lebensraumveränderungen insbesondere durch die Intensivierung der Landwirtschaft, durch die Veränderung der Anbaustruktur landwirtschaftlicher Kulturen, den Einsatz von Pestiziden und permanent hohe Gaben synthetischer Düngemittel sowie die Entwässerung von Feuchtgebieten. Hinzu kommt der enorme Flächenverbrauch in Deutschland. So wird durch die Bebauung der offenen Landschaftsräume der Lebensraum der Bodenbrüter zerschnitten und immer weiter verkleinert. Die Inanspruchnahme von Flächen beträgt beispielsweise in Bayern pro Tag (Quelle: Bayerischem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz) etwa 17 Fußballfelder (Stand 2017). Im Jahr werden so in Bayern 43 Quadratkilometer in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt.
Wo Bodenbrüterpopulationen auf diese Weise massiv unter Druck geraten sind, wird auch der negative Einfluss des Fuchses als Nesträuber lokal erheblich.
Kann dann wenigstens die Jagd die Bodenbrüter retten?
Die Jagd auf Füchse kann deren Population nicht nachhaltig dezimieren, da Füchse über effektive Mechanismen verfügen, um Verluste durch Bejagung zu kompensieren. Wissenschaftliche Studien und wissenschaftliche Analysen zeigen folgende Hauptgründe:
- Füchse sind in der Lage, Abschüsse durch eine höhere Reproduktionsrate zu kompensieren. In nicht bejagten Gebieten steigt die Populationsdichte in der Regel nicht an, weil Füchse bei hohen Dichten in sozialen Gruppen zusammenleben, in denen nur die dominante Füchsin Nachwuchs bekommt.
- Füchse leben in Familienverbänden mit einer strengen Hierarchie. In stabilen Populationen pflanzen sich nur dominante Weibchen fort. Die Jagd zerstört diese Sozialstrukturen, wodurch mehr Weibchen zur Fortpflanzung kommen. Dies führt zu einer schnelleren Erholung der Population.
- Wenn in bejagten Gebieten die Fuchsdichte sinkt, wandern aus den Randgebieten Füchse ein. Füchse sind sehr mobil und können große Distanzen zurücklegen.
- Mehr als 80 Prozent der Fuchspopulation müssten jährlich getötet werden, um eine nachhaltige Reduktion zu erreichen. Solche Tötungsraten sind in der Praxis weder ökologisch noch ethisch vertretbar oder umsetzbar.
- Die Jagd kann den Fuchsbestand nur lokal und kurzfristig senken, z.B. während der Wintermonate. Dieser Effekt ist jedoch nur von kurzer Dauer, da die Population durch Zuwanderung und höhere Reproduktionsraten schnell wieder ansteigt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Fuchs zwar lokal eine Bedrohung für Bodenbrüter darstellen kann, aber die Hauptursachen für den Rückgang vieler Bodenbrüterarten in Lebensraumveränderungen und komplexen ökologischen Zusammenhängen zu suchen sind. Die Bejagung von Füchsen als alleinige Schutzmaßnahme für Bodenbrüter ist deshalb alles andere als zielführend. Stattdessen sollten Schutzkonzepte primär auf die Verbesserung und Erhaltung geeigneter Lebensräume für Bodenbrüter ausgerichtet sein.
Unser Fazit
Es ist illusorisch anzunehmen, dass sich an der derzeitigen Politik hinsichtlich Flächenverbrauch für Verkehrswege, Gewerbe- und Wohngebiete, Lebensraumvernichtung, konventioneller Landwirtschaft, Entwässerung und Moorvernichtung sehr viel ändert – denn dafür bräuchte es einen Umbruch revolutionären Ausmaßes, eine radikale Änderung unseres Konsumverhaltens, eine Transformation der Gesellschaft hin zu Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft: letztlich eine sozial-ökologische Reorganisation von Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
Bis dahin müssen wir den Schaden, den gerade die westliche Gesellschaft mit ihrem verschwenderischen und zerstörerischen Lebensstil angerichtet hat, möglichst verkleinern, indem wir den Ökolandbau unterstützen, ökologische Konzepte des Grünflächenmanagements in bewohnten und bewirtschafteten Gebieten durchsetzen, müssen Hecken und Kleingewässer schaffen, den Anteil tierischer Lebensmittel und Produkte minimieren, deutlich weniger wegwerfen, Recycling und Kreislaufwirtschaft vorantreiben, unsere Gärten als Lebensräume begreifen und entsprechend umgestalten.
Aber gehört die Akzeptanz der Jagd auf Dachs und Fuchs auch dazu?
Der Dachs ist in Deutschland nicht gefährdet. Er nimmt zwar als Allesfresser dann und wann auch ein Gelege aus oder frisst Jungvögel – doch eigentlich ist er eher Sammler als Jäger, gräbt nach Würmern, klaubt Insekten und Spinnentiere vom Boden auf, frisst Beeren, Eicheln, Wurzeln und Pilze. Früher hat der Mensch dem Dachs nachgestellt, weil er sein Fleisch verzehrt („Dachsschinken“) und seinen Pelz verwertet hat – aber heute ist die Nachfrage selbst unter Jägern enorm begrenzt, erscheinen diese Gründe als archaisch und überholt. Zudem erfüllen Dachse wichtige Funktionen im Ökosystem wie beispielsweise die Kontrolle der Kleinsäugerpopulation und die Verbreitung von Pflanzensamen. Auch kann die Jägerschaft beim Dachs (ebenso wenig wie beim Fuchs) wissenschaftlich nachweisen, dass die Jagd die Ausbreitung von Krankheiten eindämmt, wie häufig behauptet.
Die Bejagung des Fuchses dagegen hat unter bestimmten Umständen – und nur dann – ihre Berechtigung. Eine flächendeckende Jagd, wozu zahlreiche Jägerschaften unter dem Slogan der alljährlichen „Fuchsjagdwoche“ immer wieder aufrufen, ist dagegen abzulehnen: Tierschutzaspekte, ökologische Überlegungen und die Notwendigkeit eines vernünftigen Grundes für die Jagd sprechen oft gegen eine flächendeckende Bejagung des Fuchses.
Wo sie dagegen ihre Berechtigung haben kann: in Gebieten mit stark gefährdeten Bodenbrüterpopulationen. Ohne Maßnahmen gegen Prädatoren kommt es dort zu Gelegeverlusten zwischen 70 und 100 Prozent. Ähnlich den „Werksverträgen“ für Aufgaben im Arten- und Naturschutz können auch (Berufs-)JägerInnen im Rahmen eines Prädatorenmanagements engagiert werden, um den Druck durch Fressfeinde zu verringern. Das geht allerdings nicht ohne flankierende Maßnahmen wie Gelegeschutzzäune und die Unterstützung der Grundstückseigner. Eine langfristige Lösung des Problems ist die Fuchsjagd dennoch nicht, wie die oben aufgeführten Argumente belegen.
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