Ein Spaziergang durch Städte und Gemeinden offenbart das Problem: Da werden selbst freiwachsende Sträucher kastenförmig und viel zu häufig beschnitten, Bäume ihrer Krone beraubt und öde Grasflächen permanent auf Golfrasenlänge gehalten. Die offensichtliche Maxime: Hauptsache, BürgerInnen erkennen, dass hier etwas getan wurde. Eine solche „Pflege“ steht im eklatanten Widerspruch zu ökologischen Prinzipien, den Bedürfnissen von Flora und Fauna und besonders: den Lippenbekenntnissen von (Lokal-)Politikern. Sie verschärfen die Probleme unserer Zeit, statt sie zu bekämpfen.

Bäume und Sträucher
Das radikale Kappen von Bäumen und der kastenförmige Beschnitt von Sträuchern sind besonders problematische Praktiken. Diese Maßnahmen sind nicht nur ästhetisch eine Katastrophe – je nach betroffener Art schaden sie der Gesundheit und Vitalität der Pflanzen, indem sie deren Krankheitsanfälligkeit erhöhen und Vitalität verschlechtern. Falsche Schnitte können aus einem kerngesunden Baum oder Strauch einen Dauerpatienten machen: Erst dadurch wird es notwendig, immer wieder nachzuschneiden.
Durch das Entfernen des Geästs werden Vögeln und Kleinsäugern wertvolle Habitate genommen. Viele städtische Sträucher werden regelmäßig von außen beschnitten, so dass sie zu atypischen, kegel- oder quaderförmigen Gebilden werden. Durch einen solchen Eingriff vergreisen die Gehölze von innen, sie bilden kaum mehr Blüten und Fruchtstände aus – welche wichtige Nahrungsquelle für Insekten, Vögel und Kleinsäuger wären.
Das Entfernen von Hecken ist besonders kritisch zu sehen. Viel zu oft werden ganze Areale dem Erdboden gleichgemacht. Offenbar gibt es dafür einen Grund: Die Stadt hat für die nächsten Jahre Ruhe. In dieser Zeit aber fällt die Fläche als Habitat komplett aus. Und wenn sie wieder aufgewachsen ist, beginnt der unsägliche Kreislauf von Neuem.
Grünflächen
Inzwischen ist es Routine, Rasenflächen in urbanen Gebieten mindestens zweimal pro Monat zu mähen. Man mag nicht in Abrede stellen, dass die Mahd sinnvoll und notwendig ist – insbesondere dort, wo sich Erholungsuchende an warmen Tagen gerne niederlassen. Aber das Mähen hat Ausmaße angenommen, die ökologisch nicht mehr zu vertreten sind:
- Es gibt kaum mehr „wilde“ Bereiche und erst recht keine, die miteinander vernetzt sind.
- Es mangelt an sinnvoll gepflegten Wiesenflächen. Allein das Wachsen-Lassen von Rasen garantiert kaum ökologischen Mehrwert. Wildblumenwiesen sind immer noch viel zu selten.
- Das Zu-tiefe-Mähen von nur wenigen Zentimetern, der Einsatz von Maschinen mit kreiselnden Werkzeugen und das Liegenlassen des Mähguts auf den Flächen tragen erheblich zum ökologischen Schaden bei. Wo das Mähgut auf den Flächen verrotten kann, erhöht sich der Nährstoffeintrag. Das wiederum vermindert die Pflanzenvielfalt: Wenige, stickstoffliebende Arten wie Gras und Löwenzahn (der nicht einmal blühen darf) werden gefördert, die so wichtigen nährstoffmeidenden Wildkräuter unterdrückt. Häufiges Mähen verhindert die Entwicklung einer artenreichen Pflanzengemeinschaft. Wildkräuter und -blumen haben keine Chance zu blühen und sich zu vermehren, was wiederum die Nahrungsgrundlage für Insekten stark einschränkt.
- Lebensraumverlust: Kurzgeschnittene Rasenflächen bieten wenig Struktur und Schutz für Kleintiere und Insekten. Dies reduziert die Artenvielfalt und die ökologische Funktionalität der Fläche.
- Geringere CO2-Speicherung: Häufig gemähte Rasenflächen speichern deutlich weniger CO2 als natürliche Wiesen oder seltener gemähte Flächen. Laut Eva Hofmann von der Gartenakademie Rheinland-Pfalz „speichert gemähter Rasen kaum mehr CO2 als Beton“.
- Eingeschränkte Wasserspeicherung: Kurzgeschnittene Rasenflächen haben eine geringere Fähigkeit, Wasser aufzunehmen und zu filtern im Vergleich zu Wildblumenwiesen mit tieferen Wurzelsystemen.
Es ist dringend notwendig, dass Städte und Gemeinden ihre Grünflächenpflege überdenken und pflanzenphysiologisches, gärtnerisches und ökologisches Wissen umsetzen.
Um die Situation zu verbessern, sollten naturnahe Pflegekonzepte entwickelt werden, die die vielfältigen Funktionen wie Luftreinigung und Staubbindung, Kühlung und Luftbefeuchtung, Kohlenstoffspeicherung und Klimaschutz, Förderung der Biodiversität und Artenschutz von Stadtgrün fördern. Dazu gehören differenzierte Mähregime, der Erhalt von Totholz, die Förderung und adäquate Pflege von Wildblumenwiesen und die Anpflanzung heimischer, insektenfreundlicher Gehölze.
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