Eine erste länderübergreifende Analyse zu internationalen Investitionen in den Naturschutz zeigt einerseits, dass immer mehr Mittel für Umweltschutz und Biodiversität für den Erhalt der tropischen Trocken- und Regenwälder zur Verfügung gestellt werden. Andererseits aber ist dieser Waldbestand seit 1990 zwischen 65.000 und 95.000 Quadratmeter geschrumpft. Die Geographin Dr. Siyu Qin hat herausgefunden, dass die Mittel am wenigsten in die Gebiete fließen, wo sie am dringendsten benötigt werden.

Qin hat die Mittelvergabe am Beispiel der Wald- und Savannengebiete in Argentinien, Bolivien, Brasilien und Paraguay untersucht – Länder, in denen diese Ökosysteme unter Druck sind und stark schrumpfen. Qin, die von 2018 bis 2023 als Doktorandin am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) forschte und seither für die internationale Umweltschutzorganisation Nature Conservancy tätig ist, hat dafür Daten zu Naturschutzprojekten in diesen Regionen und zu den dafür zur Verfügung gestellten Mitteln von den wichtigsten Geber-Ländern, darunter USA, Deutschland oder Norwegen, und multilateralen Organisationen wie der Weltbank zusammengefasst. Damit entstanden die ersten länderübergreifenden Karten mit Zeitreihenanalysen zu Investitionen in den Naturschutz in Südamerika. Zudem nutzte die Forscherin satellitengestützte Daten zur Entwaldung und zu Landnutzungsänderungen sowie Daten zur Veränderung der räumlichen Ausdehnung von Schutzgebieten.
Die Analyse der Daten zeigt, dass die Mittel nicht unbedingt dort ankommen, wo Wälder und Savannen und mit ihnen der Artenreichtum am schnellsten verschwindet. „Das Geld der Spender fließt häufig in Gebiete, in denen mehr Wald vorhanden ist und nicht dorthin, wo die Abholzung rapide voranschreitet. So kommt es, dass sich immer mehr Geld auf Regionen konzentriert, die sehr bekannt sind – so wie der Amazonas-Regenwald. Andere Gebiete wie der Cerrado, Brasiliens tropische Savanne, der Gran Chaco in Argentinien oder die Chiquitano-Trockenwälder in Bolivien werden im Vergleich dazu vernachlässigt“, sagt Siyu Qin.
Mittel fließen zudem in der Regel in schon bestehende Schutzgebiete, die von den jeweiligen Ländern in Südamerika ausgewiesen wurden. Im Fall von Brasilien zählen dazu auch Gebiete, in denen indigene Völker siedeln. Denn Brasilien deklariert diese Gebiete als Schutzgebiete, und als solche sind sie auch Bestandteil der nationalen Naturschutzstrategie. „Wir haben festgestellt, dass mehr Geld in diese Schutzgebiete geflossen ist, und dieser Trend ist in allen Regionen zu beobachten – sei es im Amazonas, Cerrado oder Chaco“, resümiert Qin.
„Die tropischen Wälder und Savannen Südamerikas sind von herausragender Bedeutung für den Naturschutz, da sie einen Großteil der globalen Artvielfalt beherbergen und gigantische Kohlenstoffspeicher darstellen.“ erklärt Prof. Tobias Kümmerle vom Geographischen Institut an der HU, der das Dissertationsprojekt betreut hat. „Diese Gebiete effektiv zu schützen ist wichtig, und die Weltgemeinschaft und viele internationale Organisation stellen hierfür auch erhebliche Mittel zur Verfügung. Bisher war aber unklar, in welchen Regionen diese Mittel am Ende ausgegeben werden.“
Um dem dramatischen Verlust der Artenvielfalt entgegenzuwirken und die Biodiversität auf der Erde zu schützen, hat sich die Weltgemeinschaft auf der Biodiversitätskonferenz 2022 darauf verständigt, 30 Prozent der Land- und der Meeresoberfläche bis 2030 unter Schutz zu stellen. Bislang stehen nur rund 17 Prozent des Landes und sieben Prozent der Meere unter Schutz. „Wenn Organisationen und Regierungen versprechen, Mittel für den Naturschutz bereitzustellen und mehr Gebiete unseres Planeten zu schützen, kann unsere Studie sie dabei unterstützen, sicherzustellen, dass die Gelder zielgerichteter verteilt werden, um einerseits die Wälder zu schützen und andererseits den Menschen zu helfen, die in und von ihnen leben“, resümiert Qin.
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