Klimawandel in den Alpen: Bergfrühling beginnt immer früher

Durch | Mai 16, 2025

Der immer zeitiger beginnende Frühling in den Bergen beeinflusst Biodiversität, Landwirtschaft und das ökologische Gleichgewicht. Michael Zehnder, Biologe am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF), Schweiz, hat diesen Trend mit Daten aus 25 Jahren wissenschaftlich belegt.

Credits: Shootcase Chronicles, pexels
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Pflanzen sprießen immer früher aus der Erde, sobald der Schnee weg ist – im Schnitt sind das sechs Tage im Vergleich zum Frühjahr vor 25 Jahren. Das hat SLF-Forscher Michael Zehnder in einer aktuellen Studie nachgewiesen. Grund hierfür sind die deutlich gestiegenen Temperaturen. „Im Durchschnitt ist die Umgebungstemperatur nach dem Verschwinden der Schneedecke in Folge des Klimawandels um fast zwei Grad wärmer als noch vor 25 Jahren„, erklärt Zehnder. Diese rasche Erwärmung trieb den Wachstumsbeginn der Pflanzen schneller voran und verkürzte damit die Zeit vom Ende der Schneeschmelze bis die Wiesen wieder grün werden.

Nicht nur für die Pflanzenwelt, sondern auch für Wirtschaft und Gesellschaft hat das Folgen. „Auch der Alpbetrieb könnte künftig früher starten“, sagt Zehnder.
Darüber hinaus wird sich die Biodiversität in den Alpen verändern. Denn nicht alle Pflanzen beginnen gleich nach der Schneeschmelze zu wachsen. Einige folgen einer inneren Uhr und treiben erst aus, wenn die Tage nach der Schneeschmelze lang genug sind, andere dagegen brauchen vor allem Wärme, erläutert Zehnder.

Der Biologe fand heraus, dass in Lagen nahe der Baumgrenze auf circa 2.000 m.ü.M. die Vegetation in Jahren früher Schneeschmelze mehr warme Tage brauchte, bis das Wachstum einsetzte. Auch in höheren Lagen kommen Alpenpflanzen vor, die sich nach der Länge der Tage richten und das Austreiben verzögern, auch wenn es eigentlich bereits warm genug ist. Die Studie zeigt jedoch, dass Pflanzengemeinschaften in diesen Höhen unabhängig vom Zeitpunkt der Schneeschmelze etwa gleich viele warme Tage brauchen, um mit dem Wachstum zu beginnen. In Zukunft dürfte es daher insbesondere in höheren Berglagen früher grün werden als heute – denn der Schnee schmilzt früher, und die Temperaturen steigen. Das wirkt sich auch darauf aus, wie Pflanzengemeinschaften zusammengesetzt sind. Arten, die primär auf warme Tage reagieren, könnten solche verdrängen, die sich strikt an die Tageslänge halten. „Der Klimawandel gestaltet die Ökosysteme in den Bergen um“, urteilt der Biologe.

Für seine Arbeit hat er 40 Wetterstationen des Interkantonalen Mess- und Informationssystems IMIS genutzt. Diese haben jeweils einen Ultraschallsensor, der im Winter die Schneehöhe misst. Im Sommer messen sie aber auch – und registrieren so die immer früher wachsenden Pflanzen. „Auf diese Weise erhalten wir Daten, ohne selbst vor Ort sein zu müssen“, sagt Zehnder. Ein Computermodell , durch maschinelles Lernen (ML) mit zahlreichen Daten trainiert, erkennt, ob Schnee unter dem Sensor liegt oder ob bereits Pflanzen wachsen. So erkennt Zehnder, wann im Bergfrühling der Schnee verschwindet und das Pflanzenwachstum einsetzt.

Insgesamt hat Zehnder Daten aus den Jahren 1998 bis 2023 analysiert. Um die Vegetation an den Stationen zu erfassen, musste der Biologe aber zusätzlich selbst zu den Stationen aufbrechen – zu Fuß, da sie in der Regel mitten im Gebirge, auf einer Höhe zwischen 1.700 und 2.700 Metern ü.M. liegen. Denn welche Pflanzen unter den Sensoren wachsen, erkennen Forschende nicht aus den Daten der IMIS-Stationen. Aber genau das ist wichtig, um zu verstehen, wie verschiedene Pflanzengemeinschaften unterschiedlich auf eine künftig noch frühere Schneeschmelze reagieren, und wer die Verlierer und Gewinner sind.

Originalpublikation

Global Change Biology | Environmental Change Journal | Wiley Online Library

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