Die Umwandlung einer öden Rasenfläche in eine artenreiche Wiese erfordert mehr als nur das Unterlassen des Mähens. Wer jahrelang gedüngt, jedes Kraut ausgemerzt oder die Rasenmahd auf der Fläche verblasen hat, muss sich nicht wundern, dass trotz Verzichts auf die Mahd nichts als Gras wächst und sich kaum etwas ansiedelt.

Laut einer Studie des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) aus dem Jahr 2023 ist es wichtig, auf jede Art von Düngung zu verzichten, um den Stickstoffgehalt im Boden zu reduzieren, und gezielt gebietsheimisches Saatgut einzusetzen, um die lokale Flora zu fördern. Zudem sollte die Mahd auf bestimmte Zeiten beschränkt werden, z. B. nach der Samenreife, um die Pflanzen nicht in ihrer Fortpflanzung zu stören. Eine Studie des Instituts für Ökologische Wirtschaftsförderung (IÖW) aus dem Jahr 2024 zeigt, dass solche Maßnahmen nicht nur die Insektenvielfalt, sondern auch die gesamte Biodiversität in Gärten und auf Grünflächen signifikant steigern können. Seit langem empfehlen Naturschutzverbände, darüber hinaus wilde Ecken oder Blühstreifen anzulegen, um Insekten Fluchtpunkte und Nahrung zu bieten.
Allerdings ist schon so mancher Gartenbesitzer an dem Vorhaben, seinen Rasen mit Wildpflanzen auszustatten, kläglich gescheitert. Das könnten die Gründe sein:
- Wie erwähnt, sind Rasenflächen über Jahrzehnte hinweg regelmäßig gemäht und gedüngt worden. Man muss die Historie des Rasens kennen, um gezielt Pflanzen anzusiedeln. Grob unterscheidet man Mager- und Fettwiese. Fettwiesen sind am häufigsten – gut erkennbar an stickstoffliebenden Pflanzen wie Löwenzahn, Ampfer oder Hahnenfuß.
- Man kennt die Bodenart nicht. Es gibt schwere und leichte Böden (schwere Böden: hoher Ton- oder Lößanteil, sie speichern Wasser und Nährstoffe gut, fühlen sich in feuchtem Zustand schluffig und schmierig an; leichte Böden: hoher Sandanteil, Nährstoffe und Wasser werden schlechter gespeichert, typisch ist das „krisselige“ Gefühl beim Zerreiben des Bodens zwischen den Fingerspitzen). Je nach Bodenart unterscheiden sich die Pflanzengesellschaften, die darauf wachsen (würden). Auch der ph-Wert entscheidet mit: Moorböden sind saure Böden, schwere Böden haben einen höheren ph-Wert um 6,5 bis 7, und sandige Böden liegen dazwischen. Es gibt Pflanzen, die saure Böden und solche, die Böden mit einem höheren ph-Wert bevorzugen (in den Baumärkten sind Pflanzen oft als „kalkliebend“ = höherer ph-Wert oder „Moorpflanzen“ = niedriger ph-Wert gekennzeichnet). Manche Pflanzen tolerieren eine größere Boden-Bandbreite.
- Die Lage ist mitentscheidend: sonnig, halbschattig, lichter Schatten, vollschattig. Je sonniger die Lage, desto größer ist die Pflanzenauswahl, im tiefen Schatten wachsen nur wenige Blütenpflanzen.
- Die Vorbereitung war ungenügend. Gras bildet im Laufe der Zeit dichte Matten, die zwingend an jenen Stellen, die man bepflanzen oder besäen will, entfernt werden müssen. Praktisch heißt das: mit dem Spaten ein ausreichend großes Stück abstechen (mindestens 4x Wurzelballen), die Sode abheben und entfernen, den Boden darunter kräftig lockern und von allen Wurzelresten befreien, die Wildpflanze mittig einsetzen und angießen. Nicht vergessen: regelmäßig jäten und gießen.
- zu kleiner Bereich für die neuen Bewohner. Lieber größere Flächen mit der gleichen Wildblumenart bepflanzen als viele kleinteilig verstreut; mindestens ein Quadratmeter. „Tuffs“ pflanzen statt nur ein einzelnes Exemplar.
- falsche Pflanzenauswahl (s.o.)
- zu viel Dünger. In der Natur wachsen die artenreichsten Wiesen auf besonnten, mageren Böden. Neu gepflanzte Wildblumen brauchen keinen Dünger. Am besten, man verwendet auch keine handelsübliche Blumenerde, denn die ist vom Hersteller bereits vorgedüngt. Besser, irgendwo „gewachsene“ („Mutter-„) Erde besorgen und diese ggf. noch mit grobem Sand „abmagern“ und/oder Humus versetzen (abgelagerte Komposterde).
- zu wenig oder zu viel Wasser. Samenflächen müssen mindestens bis zum Aufgehen der Samen feucht gehalten werden. Auf die Witterung achten! Auch Wildblumen brauchen mindestens über den ersten Sommer hinweg regelmäßig Wasser – sie benötigen erfahrungsgemäß mindestens eine Vegetationsperiode, um anzuwachsen. Lernen Sie, den Wasserbedarf Ihrer Pflanze an den Blättern abzulesen (nachlassender Blattglanz, hängende Blätter). In der Regel ist es einfacher, getopfte Wildpflanzen zu etablieren als aus Samen zu ziehen. Staunässe wiederum vertragen die wenigsten Pflanzen.
Wenn Sie unschlüssig sind, welche Pflanzenarten für Ihren Standort passen könnten, beobachten Sie, was auf benachbarten Flächen wächst – sofern nicht auch diese ständig gemäht werden. Häufig sehen Sie Arten wie Butterblume (Ranunculus), Löwenzahn (Taraxacum), den in Dolden blühenden Wiesenkerbel (Anthriscus sylvestris) oder die Wilde Möhre (Daucus carota) – das spricht eher für „fette“ Standorte.
In jedem Fall liegen Sie richtig, wenn Sie Ihren Rasen im Herbst mit möglichst vielen Frühlingsblühern „impfen“: Schneeglöckchen (Galanthus), Wilde Krokusse (Crocus), Blausternchen (Scilla), Leberblümchen (Hepatica nobilis) und Winterlinge (Eranthis hyemalis) sind die geeigneten Kandidaten. Zusätzlich können Buschwindröschen (Anemone nemorosa) und Schlüsselblumen (Primula veris) gepflanzt werden – mit Ballen auch ganzjährig.
Nachfolgend einige Beispiele für insektenfreundliche Wildpflanzen.
Für schwerere Böden:
Kriechender Günsel (Ajuga reptans)
Schafgarbe (Achillea millefolium)
Kuckucks-Lichtnelke (Silene flos cuculi)
Wilde Malve (Malva sylvestris)
Kamillenarten (z.B. Echte Kamille Matricaria comomilla)
Gänsefingerkraut (Potentilla anserina)
Kleinköpfiger Pippau (Crepis capillaris)
Kleiner Klappertopf (Rhinanthus minor)
Vogelwicke (Vicia cracca)
Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea)
Lichtnelke (Silene latifolia)
Braunelle (Prunella vulgaris)
Für leichtere Böden:
Gamander-Ehrenpreis (Veronica chamaedrys)
Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis)
Weidenblättriges Ochsenauge (Buphthalmum salicifolium)
Wiesensalbei (Salvia pratensis)
Wiesenmargerite (Leucantheum vulgare)
Vielblättrige Lupine (Lupinus polyphyllus)
Beinahe überall in den Rasenflächen finden sich versteckte Nester von Weißklee (Trifolium repens) – allerdings sieht man sie durch die zu häufige Mahd selten blühen. Ähnliches gilt für Braunelle und Günsel. Finden Sie solche Nester, mähen Sie einfach darum herum und freuen sich an den Blüten, die viele Insekten anziehen.
Überhaupt sind die heimischen Kleearten recht pflegeleichte Kandidaten für die Kultur anstelle von oder im Rasen. Zum Beispiel kann Weißklee sogar als Rasenersatz gepflanzt oder gesät werden – ein Fest für Wildbienen.
Allen Kleearten ist gemeinsam, dass sie mit bestimmten Bakterien, den Knöllchenbakterien, in Symbiose leben. Diese Mikroben siedeln sich an den Wurzeln an und werden in den typischen kleinen Knubbeln beherbergt. Sie sind in der Lage, den Stickstoff aus der Luft in Ammoniak und Ammonium umzuwandeln und so den Pflanzen verfügbar zu machen. Im Gegenzug versorgt die Pflanze die Bakterien mit bestimmten Zuckern. Diese Win-to-win-Gemeinschaft macht Klee unabhängiger vom Stickstoffgehalt des Bodens und erklärt seine weite Verbreitung.
Folgende Klee-Arten bevorzugen eher schwerere Böden:
Rotklee (Trifolium pratense)
Wiesen-Hornklee (Lotus corniculatus)
Purpurklee (Trifolium purpureum)
Schwedenklee (Trifolium medium)
Hasenklee (Trifolium arvense)
Feldklee (Trifolium campestre)
…und diese eher leichtere:
Kriechender Sauerklee (Oxalis corniculata)
Alpenklee (Trifolium alpinum)
Wundklee (Anthyllis vulneraria)
Inkarnatklee (Trifolium incarnatum)
Hopfenklee (Medicago lupulina)
Schneckenklee (Medicago minima)
Noch ein Tipp zum Schluss: Haben Sie Geduld und verlangen Sie nicht zu viel. Eine Ad-hoc-Umwandlung in eine Traumwiese gelingt in den wenigsten Fällen. Geben Sie sich zufrieden, wenn sich hier und da Blüten zeigen. Denn auch Fettwiesen können ökologisch sinnvoll sein. Extensiv genutzte Fettwiesen – wie die Landwirtschaft sie versteht – werden zwei- bis viermal pro Jahr gemäht. Untersuchungen aus Nordrhein-Westfalen bescheinigten einigen von ihnen eine erstaunliche Pflanzenvielfalt: 40 verschiedene Arten fand man. Wenn es Ihnen gelingt, auch nur ein, zwei Arten dauerhaft auf ihrem ehemaligen Golfrasen zu halten, haben Sie schon sehr viel erreicht.
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