Am 17. Januar 2025 diskutierten ExpertInnen bei dem Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) in Berlin über „Bioökonomie und globale Ernährungssicherung – Herausforderungen in internationaler Perspektive“. Die Veranstaltung wurde vom IAMO und der German Agribusiness Alliance (GAA) organisiert.

Bioökonomie basiert auf der nachhaltigen Nutzung, Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Ressourcen und fördert ökologische wie auch ökonomische Nachhaltigkeit. Die internationalen Podiumsgäste aus Politik, Wirtschaft und Forschung beschäftigten sich bei der Veranstaltung in Berlin schwerpunktmäßig mit den bisherigen Erfahrungen bei der Anwendung von bioökonomischen Prinzipien, der Rolle von modernen Technologien heute und morgen sowie der Frage, wie die bioökonomische Wirtschaftsweise zukünftig weiter forciert werden kann.
Wissenschaftlich begleitet wurde das Podium von IAMO-Forscher Frans Hermans, welcher in seiner Keynote-Rede darauf verwies, dass bioökonomische Ziele nicht allein durch Innovationen, beispielweise in Form von Bio-Technologien, zu erreichen seien, stattdessen spielte auch Erfahrungswissen eine wichtige Rolle. Er empfiehlt zudem Bioökonomie-Cluster für den Wissensaustausch sowie die Zusammenarbeit zwischen beteiligten Sektoren aus Landwirtschaft, Unternehmen, Behörden und Forschung zu fördern.
Auch Kasachstan wolle seine Rolle in der Welternährungssicherung wahrnehmen, den Export steigern und beispielsweise den Ökolandbau ausbauen, erklärte Yermek Kenzhekhanuly, Vize-Agrarminister Kasachstans. Dafür seien unter anderem neue Technologien von Bedeutung, zum Beispiel die Nutzung von Lasern beim Anbau von Gemüse und Baumwolle für eine wassersparendere Tröpfchenbewässerung.
Als VertreterInnen aus der Wirtschaft untermauerten Maryna Kovalova, Marketingleiterin bei der SmartFarming Group in der Ukraine, und Oliver Gierlichs, Geschäftsführer und Finanzvorstand bei Bayer Ltd. Ukraine, das Potenzial von Innovationen und neuen Technologien zur Effizienzsteigerung in der Landwirtschaft. Maryna Kovalova gab zwar zu bedenken, dass die bioökonomische Wirtschaftsweise in der ukrainischen Landwirtschaft etwas Neues sei und die Digitalisierung noch nicht flächendeckend Einzug erhalten habe, unterstrich aber gleichzeitig, dass gerade in digitalen Technologien viele Möglichkeiten bestehen. Beispielsweise, so erklärte Maryna Kovalova, könnten Drohnen und Satellitenbilder Daten liefern, die das Düngen und Bewässern effizienter machen. Oliver Gierlichs führte aus, dass Innovationen einen optimierten Einsatz von Ressourcen, beispielsweise durch die Nutzung von Abfallprodukten und biologisch verträglicheren Pflanzenschutz- und Düngemitteln, ermöglichen.
Die ReferentInnen des Fachpodiums, welches von Dirk Stratmann, Ländersprecher Ukraine/Zentralasien bei der GAA, moderiert wurde, waren sich einig, dass Bioökonomie ein Schlüsselfaktor für ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit sowie die Erreichung von globaler Ernährungssicherung sei.
Über das GFFA
Das 17. Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) findet vom 15. bis 18. Januar 2025 unter dem Titel „Bioökonomie nachhaltig gestalten“ in Berlin statt. Das GFFA ist eine internationale Konferenz zu agrar- und ernährungspolitischen Fragen. Es wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Kooperation mit der Messe Berlin GmbH veranstaltet. Allgemeine Informationen zum GFFA 2025 erhalten Sie auf der Konferenzwebseite: http://www.gffa-berlin.de.
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Kommentar
In den vergangenen Jahren hat die Bioökonomie auf internationaler Ebene eine Vielzahl von Konferenzen, Foren und Treffen hervorgebracht, die das Potenzial dieser Strategie zur Lösung globaler Herausforderungen wie der Ernährungssicherung betonen. Doch trotz dieser Vielzahl bleibt es im Wesentlichen bei Lippenbekenntnissen; an praktischer Umsetzung fehlt es. Ein kritischer Blick auf diese Dynamik offenbart mehrere Problempunkte:
- Diskrepanz zwischen Worten und Taten
Die zahlreichen Treffen, wie etwa das Bioökonomieforum 2023 in Berlin oder der Global Bioeconomy Summit, betonen zwar regelmäßig die Notwendigkeit einer Transformation hin zu nachhaltigen Wirtschaftssystemen – die konkrete Umsetzung aber bleibt auf der Strecke. Politische Maßnahmen und Förderprogramme werden zwar angekündigt, doch mangelt es meist an klaren Mechanismen zur Überwindung struktureller Hindernisse wie Machtasymmetrien oder Zielkonflikten zwischen ökologischen und wirtschaftlichen Interesse.
2. Dominanz von Industrieinteressen
Die Bioökonomie wird von einer „Triple Helix“ aus Politik, Industrie und Wissenschaft geprägt. Dabei dominieren wirtschaftliche Interessen, während soziale und ökologische Aspekte weit in den Hintergrund treten. Viele Veranstaltungen – wie auch die oben genannte – sind eher Plattformen für die Industrie, um ihre Technologien zu präsentieren. Mit einem „echten“ Forum für transformativen Wandel hatte auch diese Veranstaltung nichts zu tun.
Ein Beispiel ist die einseitige Förderung von „Bio“kraftstoffen oder „Bio“plastik: Hier haben eindeutig wirtschaftliche Ziele Vorrang vor der Ernährungssicherung, während die negativen Auswirkungen und die anfallenden ökologischen Kosten ausgeblendet werden.
3. Fehlende Einbindung der Zivilgesellschaft
Obwohl die Bioökonomie erhebliche Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt hat, bleibt die Einbindung der Zivilgesellschaft marginal. Viele Treffen sind elitär und konzentrieren sich auf technologische Innovationen, ohne die Bedürfnisse lokaler Gemeinschaften oder Kleinbauern ausreichend zu berücksichtigen. Dies erschwert eine breite gesellschaftliche Akzeptanz und gefährdet die Legitimität der Bioökonomiepolitik.
Unser Fazit
Die Vielzahl an Treffen und Veranstaltungen zur Bioökonomie spiegelt zwar das wachsende Bewusstsein und deren Potenzial wider, doch im Endeffekt wird immer wieder viel Geld für nichts verschleudert (dreistellige Teilnehmergebühren, fünf- bis sechsstellige Summen für Tagungsorte, Catering und Übernachtung der ReferentInnen…).
Woran es vor allem mangelt: an Mut. Mut, der Bevölkerung klar zu machen, dass unser konsumorientiertes Leben nicht so weiter gehen darf wie bislang – wollen wir nicht irgendwann vor einem Scherbenhaufen stehen, den wir nicht mehr wegräumen können. Denn dieses Leben steht in einem extremen Widerspruch zu den globalen Problemen unserer Zeit. Der ungebremste Konsum von Ressourcen, getrieben durch eine Wegwerfmentalität und die Jagd nach immer neuen Produkten, hat massive ökologische und soziale Konsequenzen. Wälder werden gerodet, um billige Konsumgüter herzustellen, die Meere füllen sich mit Plastikmüll und Arbeitskräfte in ärmeren Ländern werden ausgebeutet, um den westlichen Lebensstil zu ermöglichen. Unsere Lebensart ist nicht nur höchst unethisch, sondern auch alles andere als nachhaltig.
Der Ressourcenverbrauch der westlichen Welt übersteigt bei Weitem die Kapazitäten unseres Planeten. Gleichzeitig verstärkt der Konsumismus soziale Ungleichheiten, da er auf Kosten derjenigen geht, die am wenigsten davon profitieren. Es ist höchste Zeit, dass westliche Gesellschaften ihre Prioritäten ändern und sich von der Illusion verabschieden, dass Glück und Wohlstand durch Konsum erreicht werden können. Ein bewusster Umgang mit Ressourcen, ein Fokus auf Nachhaltigkeit und ein solidarisches Miteinander sind unverzichtbar, um eine lebenswerte Zukunft für alle zu sichern. Was wir wirklich brauchen, ist eine Revolution der Moral, die eine globale Nachhaltigkeitsethik und damit Bioökonomie erst möglich machen.
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