Forschende stoßen in Kommunen beim Einsatz digitaler Technologien immer wieder auf Probleme wie unklare Zuständigkeiten, Wissenslücken und mangelnde Offenheit gegenüber neuen Technologien und Datennutzung. Unterstützungsangebote zeigen, wie ein Innovationsklima in Kommunen gefördert werden kann. Zum Beispiel können solche Technologien Kommunen beim Kampf gegen den Klimawandel unterstützen. Sie helfen, Grünflächen zu managen, Regenwasser zu bewirtschaften, Hitze zu mindern, Biotope aufzuwerten oder Gebäude zu begrünen.

Forschende des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und von Net Positive Cities haben in der Studie „Digitale Technologien und natürlicher Klimaschutz in Kommunen“ nun erstmals einen Überblick über die Potenziale solcher Tools veröffentlicht. In der Untersuchung hat das Forschungsteam Unterstützungsangebote entwickelt, um Kommunen Wege im Umgang mit Hemmnissen beim Einsatz der Tools aufzuzeigen. Das Projekt wurde im Auftrag des Bundesumweltministeriums im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) durchgeführt.
„Die Technologien, die Kommunen beim Klimaschutz und bei der Anpassung praktisch unterstützen, haben sich in den letzten Jahren rasant entwickelt“, erklärt Professor Daniel Johnson, der das Projekt am IÖW geleitet hat. „Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, Biodiversität in der Stadtplanung besser zu managen. 3D-Stadtklimamodelle zeigen Hitze-Hotspots auf oder unterstützen bei der Bewirtschaftung von Regenwasser. Ein digitaler Zwilling kann als Hilfe dienen, um Stadtbäume in einem Baumartenkataster zu monitoren. Dies sind Beispiele, die bereits praxiserprobt sind und in einigen Kommunen umgesetzt werden. In unserer Studie zeigen wir die Potenziale entlang der Handlungsfelder auf. Mit dem neuen Portal Umwelt.info des Umweltbundesamtes gibt es seit Kurzem einen Datenfundus, der die Kommunen bei ihren Aufgaben unterstützen kann.“
Die Forschenden haben in einem praxisorientierten Forschungsansatz Interviews und Workshops mit VertreterInnen aus Kommunen, von Anbietern digitaler Technologien sowie aus Kompetenzzentren durchgeführt. „Wir sind auf mehrere Hürden gestoßen, die es in den Kommunen beim Einsatz von solchen modernen Technologien gibt“, erläutert Maria Real Perdomo von Net Positive Cities, die eng mit vielen Kommunen zum Thema Smart City und Klimaschutz zusammenarbeitet.
„Nicht selten sehen wir unklare Zuständigkeiten und Wissenslücken, aber auch mangelnde Offenheit gegenüber neuen Technologien und Daten. Wir empfehlen Kommunen, ein offenes Innovationsklima zu fördern, damit diese Zukunftstechnologien in wichtigen Themenfeldern zum Einsatz kommen und sie dabei unterstützen, klimaresilient zu werden“, so Real Perdomo. In der Studie sind solche Probleme bei der Nutzung digitaler Technologien für den natürlichen Klimaschutz beschrieben, genauso wie Beratungs- und Unterstützungsangebote, um diese zu überwinden.
Wie digitale Tools Kommunen beim natürlichen Klimaschutz helfen – ein Überblick aus der Studie:
1. Biotope und Flächen aufwerten
Die Software Marxan wird weltweit in der systematischen Naturschutzplanung eingesetzt, um optimale Flächenkombinationen für den Biotopverbund zu identifizieren. Mithilfe eines heuristischen Algorithmus werden die bestgeeigneten Flächen basierend auf definierten Indikatoren ausgewählt. In Bayern nutzt das Bayerische Artenschutzzentrum das Programm, um BiodiversitätsberaterInnen und Naturschutzfachkräften digitale Planungsgrundlagen für die Biotopvernetzung bereitzustellen.
2. Grünflächen managen
Als Grundlage für das Grünflächenmanagement dienen Geoinformationssysteme (GIS). Solche digitalen Kartierungen zu vorhandenen Grünflächen enthalten etwa Daten zu Spezies, Alter und Verortung einer Pflanze. Werden diese Geodaten mit Fachdaten und Analyseinstrumenten verknüpft, werden sie zu einem „digitalen Zwilling“ – einem realitätsnahen digitalen Abbild eines Stadtausschnittes. Er bildet die Grundlage für Modellierungen, Simulationen und Szenarien, mit denen Kommunen Maßnahmen entwickeln können. Ein Anwendungsbeispiel sind etwa optimierte Gießrouten bei der Grünpflege, wie sie das Projekt „Quantified-Trees“, kurz Q-Trees, in Berlin bereits anbietet.
3. Regenwasser bewirtschaften
Wie können wassersensible Infrastrukturen wie (unterirdische) Regenwasserauffangbecken geplant werden? Auch hierfür gibt es spezielle Tools wie 3D-Modelle und Sensorik. Das Modell des Awatree-Bewässerungssystems verschneidet Wetterdaten und Bodenfeuchtigkeitssensoren miteinander. Automatisiert wird dann entschieden, wann und wie viel Wasser aus den Regenwasserauffangbecken für die Bewässerung von Stadtgrün gebraucht wird. Dadurch wird Wasser effizient genutzt und Überbewässerung vermieden. Auch intelligente Bewässerungssysteme können bei der automatischen Bewässerung von Parks und Stadtbäumen helfen und dadurch den Wasserverbrauch optimieren und unnötige Fahrtkosten durch Bewässerungsfahrzeuge reduzieren. In einem Pilotprojekt setzt die Stadt Pforzheim das System zur automatischen Bewässerung von Bäumen ein.
4. Gebäude begrünen
Begrünte Gebäude leisten einen wichtigen Beitrag zur Kühlung, Luftfilterung und Kohlendioxidbindung in Kommunen. Digitale Technologien wie Sensoren, Fernerkundung und KI-gestützte Systeme unterstützen die Überwachung von Temperatur, Luft- und Bodenqualität sowie die Bewertung von Maßnahmen. Gründachkarten und digitale Zwillinge helfen bei der Planung, während autonome Systeme eine effiziente Bewässerung ermöglichen.
„Auch über die Studie hinaus lohnt es sich nach Good Practices zu schauen und davon zu lernen“, so Real Perdomo. „Ein Beispiel ist das Solar- und Gründachpotenzialkataster im Kreis Plön. Es versteht sich als kostenloser Onlineservice, der geeignete Dächer für Begrünung und Photovoltaik identifiziert. Interessierte Bürger*innen können mit dem Tool erste Anhaltspunkte erhalten, mit welchen Kosten sie für eine Solaranlage oder ein Gründach rechnen müssen und wann sich die Investition amortisiert. So sollen Menschen ermutigt werden, mit ihren Dachflächen einen Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz zu leisten.“
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