Interview mit PFABO Founder: „Mehrweg aus der Nische holen“

Durch | Oktober 29, 2025

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๐‰๐ฎ๐ฅ๐ข๐š๐ง๐ž: Verpackungen haben ihre Berechtigung – sie schรผtzen Produkte, sichern Transport und Haltbarkeit. รœber die Jahre ist daraus allerdings eine Art โ€žVerpackungsutopieโ€œ geworden. Vieles wird doppelt und dreifach verpackt, was oft gar keinen weiteren Schutz bietet. Als Endverbraucher*in merkt man das vor allem beim Einkaufen: Man kommt nach Hause und als Erstes wandern ganz viele Verpackungen in den Mรผlleimer. Hier wird das Verpackungsaufkommen deutlich spรผrbar, wรคhrend es in der Industrie deutlich weitreichender, aber fรผr Verbraucher*in weitestgehend unsichtbar bleibt. So fรผllen Produzent*innen zum Beispiel Feinkost und Salate ab, schicken sie weiter, dort werden sie wieder ausgepackt, und die Verpackung wird sofort entsorgt. Ein Riesenaufwand fรผr etwas, das nur ein paar Stunden genutzt wird. Da haben wir uns gedacht โ€“ Das muss auch anders gehen.

Unser Ziel ist klar: Mit PFABO mรถchten wir weg vom linearen System, wo Verpackungen nur einmal genutzt werden, hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft. Das heiรŸt konkret: Mehrweg aus der Nische holen und als Standard etablieren. Wir setzen dafรผr vor allem bei den Unternehmen selbst an und helfen ihnen dabei umzudenken von โ€žich werfe etwas wegโ€œ zu โ€žich behalte es, fรผhre es zurรผck und nutze es wieder.โ€œ

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๐‰๐ฎ๐ฅ๐ข๐š๐ง๐ž: Es gab mehrere. Ich selbst komme ursprรผnglich aus einer anderen Branche, der Unternehmensberatung und habe dort unter anderem Krankenhรคuser mit einer leitenden Position im Marketing betreut. Aber irgendwann kam bei mir die Frage auf โ€žWie sinnstiftend ist meine Arbeit?โ€œ Dazu kam, dass ich mit zwei Kindern noch mehr angefangen habe, mein Konsumverhalten zu hinterfragen und eben nicht nur was kaufe ich ein, sondern auch wie kommen die Lebensmittel auf den Tisch. Gleichzeitig haben mich verschiedene Studien, in denen das steigende Verpackungsaufkommen der letzten Jahrzehnte deutlich wird, immer wieder zum Nachdenken gebracht und so habe ich schlieรŸlich gemeinsam mit meinem Bruder Adrian รผberlegt, wie man es anders machen kann โ€“ und aus diesen รœberlegungen entstand nach einiger Zeit PFABO. Bestรคrkt in unserem Vorhaben hat mich dann zum Beispiel eine Studie vom Fraunhofer Cluster of Excellence Circular Plastics Economy CCPE zum Thema kunststoffbasierte Mehrwegsysteme in der Kreislaufwirtschaft, die zeigt, dass Mehrwegsysteme eine sehr effektive Lรถsung fรผr das steigende Verpackungsaufkommen der letzten Jahrzehnte darstellen kรถnnen.

Juliane und Adrian Spieker haben mit PFABO ein Mehrwegsystem entwickelt, das Produktion, Logistik, Reinigung und digitale Nachverfolgung miteinander vereint. | Copyright: Ricarda Schรผller
Juliane und Adrian Spieker haben mit PFABO ein Mehrwegsystem entwickelt das Produktion Logistik Reinigung und digitale Nachverfolgung miteinander vereintย | Copyrightย Ricarda Schรผllerย 

Adrian ist Maschinenbauer und Produktentwickler und hat die Thematik zu PFABO in seiner Masterarbeit wissenschaftlich aufbereitet und damit den technischen Grundstein gelegt. Gleichzeitig haben wir Kontakte zu mรถglichen Partner*innen gesucht und sind so schlieรŸlich auch auf das Fraunhofer IZM gestoรŸen. Dort hatten wir dann Kontakt mit Alexandra Rydz und Ulf Oestermann von der Start-A-factory. Die beiden haben uns spontan zu einem Workshop eingeladen. Gemeinsam haben wir die ersten Ideen zur Zusammenarbeit mit einzelnen Abteilungen im Forschungsinstitut entwickelt und kurz darauf stand mit dem ersten Lockdown plรถtzlich alles still. Aber das Projekt hat รผberlebt, und wir sind weiter mit dem Fraunhofer IZM in Kontakt geblieben. Mit dem EXIST-Grรผnderstipendium konnten wir die Arbeit fortsetzen und professionalisieren.

SchlieรŸlich haben wir dann ein groรŸes Forschungs- und Entwicklungsprojekt vom Bundesministerium fรผr Landwirtschaft, Ernรคhrung und Heimat bekommen und haben dann das Fraunhofer IZM als Verbundpartner mit ins Boot geholt. Alexandra und Ulf haben uns wie vor dem Lockdown unterstรผtzt, und so konnten wir durch die Kooperation mit Start-A-Factory den Weg zu unserem Prototypen weitergehen. Start-A-Factory ist ein einmaliges Konzept in der Wissenschaftslandschaft fรผr Entwicklungsteams mit Hardware-Fokus. Zusammen mit Expert*innen aus der Wissenschaft, modernsten Anlagen und Kontakten zu weiteren Partner*innen aus der Wirtschaft wurde unsere erste Produktidee in kรผrzester Zeit zum professionellen Prototypen.

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๐‰๐ฎ๐ฅ๐ข๐š๐ง๐ž: Beim Thema Kreislaufwirtschaft mรผssen sehr viele Punkte mitgedacht werden, vor allem wenn sie im groรŸen MaรŸstab funktionieren soll. Bei Hunderttausenden oder mehr Verpackungen im Umlauf ist es schlicht unmรถglich, jede einzelne Box per Hand zu kontrollieren, weswegen uns von Anfang an klar war, dass der Schritt der Qualitรคtsรผberprรผfung automatisiert werden muss. Hier hat das Fraunhofer IZM seine Erfahrung eingebracht. Gemeinsam mit Carsten Brockmann und Christian Tschoban aus der Abteilung RF & Smart Sensor Systems haben wir รผberlegt: Welche Parameter mรผssen geprรผft werden? Wie lรคsst sich Sensorik so einsetzen, dass Beschรคdigungen oder Rรผckstรคnde zuverlรคssig erkannt werden?

Wir wollten ein System, das hygienisch einwandfrei arbeitet und dabei wirtschaftlich bleibt. Die Forschenden vom Fraunhofer IZM haben dann eine Sensorik vorgeschlagen, welche wir gemeinsam fรผr PFABO adaptiert haben. Im Mittelpunkt steht hier ein KI-gestรผtztes Prรผfverfahren, bei dem die Maschine โ€žlerntโ€œ, bestimmte Oberflรคchenstrukturen oder Verfรคrbungen zu erkennen und Rรผckschlรผsse auf mรถgliche Kontaminationen zieht. Die Entwicklung dieser Prรผfsensorik war fรผr uns ein groรŸer Fortschritt, da wir so sicherstellen kรถnnen, dass eine Verpackung, die in den Kreislauf zurรผckkommt, den gleichen Hygieneanforderungen wie eine Einwegverpackung entspricht โ€“ nur eben mit viel weniger Abfall, da eine unserer Boxen zwischen 250- und 500-mal wiederverwendet werden kann.

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๐‰๐ฎ๐ฅ๐ข๐š๐ง๐ž: Alles beginnt bei unserem Produktionsunternehmen, der Adoma GmbH im Allgรคu. Dort entstehen im Spritzgussverfahren unsere Boxen, die je nach GrรถรŸe
0,25 โ€“ 5,4 Liter fassen. Schon in der Produktion wird ein Inmold-Label integriert โ€“ das Etikett, welches fรผr die digitale Rรผckverfolgung wichtig ist. Von dort gehen die Boxen zunรคchst in die Reinigung und werden schlieรŸlich an die Lebensmittelproduzent*innen oder direkt in den Handel geliefert. Die Boxen werden dann mit beispielsweise Feinkost- oder Obsalsalaten, Desserts oder Conveniencenprodukten befรผllt. Je nach Anwendung gelangen sie manchmal noch รผber den GroรŸhandel direkt zu den Verwender*innen. Dort wird die Ware entnommen, verarbeitet oder an Endkund*innen weitergegeben.

Wir beliefern zum Beispiel auch die Vivantes Krankenhรคuser in Berlin, welche seit einigen Jahren im Take Away komplett auf Mehrwegverpackungen setzen. Das ist ein positives Beispiel, wie das konsequente und ausnahmslose Umdenken einer Firma Mehrweg zur Normalitรคt machen kann. Wir haben errechnet, dass alleine im Take Away Vivantes so im Jahr circa 620.000 Becher einspart, die sonst Einwegprodukte gewesen wรคren. Bei dieser Verwendung reinigt das Unternehmen die Becher oder Boxen selbst und danach kehrt die Box oder der Becher zurรผck in den Kreislauf. Bei der klassischen Zulieferung (Produktion โ€“ Auslage) werden die Gebinde gesammelt und zu einer zentrale Reinigung bei beispielsweise Cup&More geschickt, wo die entscheidende Qualitรคtskontrolle passiert. Dank der Sensorik, die wir mit dem Fraunhofer IZM entwickelt haben, kann dort jede Box/Eimer zuverlรคssig geprรผft werden und nur, wenn die Gebinde alle Checks besteht, wird sie wieder zur Verwendung freigegeben.

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๐‰๐ฎ๐ฅ๐ข๐š๐ง๐ž: Ganz klar im Umdenken. Unternehmen haben รผber Jahrzehnte Strukturen aufgebaut und Prozesse etabliert. Wenn man da eingreift, bedeutet das erstmal Reibung. Abteilungen mรผssen plรถtzlich enger zusammenarbeiten, Verantwortlichkeiten verschieben sich. Ohne ein klares Signal โ€žvon obenโ€œ nach dem Motto โ€žWir machen das jetztโ€œ funktioniert es nicht. Und obwohl es seit einiger Zeit sogar Pflicht ist, Mehrweg im Take Away anzubieten, passiert dies auch in vielen Fรคllen noch nicht. Das zeigt, wie tief das Muster sitzt. Neben uns – wir engagieren uns vor allem im Bereich Business-to-Business, weil wir dort die grรถรŸte Wirkung sehen – gibt es auch noch einige andere Anbieter, die Ansรคtze im Business-to-Customer Bereich anbieten. So gibt es in einigen Supermรคrkten schon Mehrweg an der Frischetheke, in Restaurants fรผr den AuรŸerhaus Verzerr oder auch Molkereiprodukte im Glas. Aber insgesamt ist die Mehrwegangebotspflicht fรผr Endverbraucher*innen eine Hol- aber keine Bringepflicht. Wichtig ist und bleibt klares und konsequentes Handeln, sonst funktioniert es nicht.

Dazu kommen natรผrlich auch technische Herausforderungen. Jede neue Verpackung durchlรคuft lange Entwicklungszyklen: Von der Zeichnung, รผber 3D-Druck, Tests, Werkzeugbau, Anpassungen, Abfรผll- und Reinigungstests. Da zรคhlt jedes Detail, ob es um Materialstรคrke, Verschluss oder Fรผllvolumen geht. Bei PFABO sind wir mittlerweile aber ein eingespieltes Team und haben ein gutes Projektmanagement etabliert, sodass diese technischen Entwicklungszyklen relativ reibungslos ablaufen.

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๐‰๐ฎ๐ฅ๐ข๐š๐ง๐ž: Unser Ziel ist und bleibt, Mehrweg raus aus der Nische zu holen und fest in der Industrie zu etablieren und noch viel mehr: Mehrweg als Standard fรผr Primรคrverpackungen in der Lebensmittelbranche. Dafรผr bauen wir unsere Technik natรผrlich immer weiter aus und unterstรผtzen Unternehmen bei der Umstellung. Parallel wollen wir unsere Netzwerke stรคrken. Dazu braucht es Forschung, Industrie und Politik, denn Innovation allein reicht nicht aus, klare gesetzliche Vorgaben sind ebenso wichtig. Als Grรผndungsmitglied und ehemaligem Vorstandsmitglied im Mehrwegverband Deutschland liegt es mir ebenfalls am Herzen, dass wir Mehrwegenthusiast*innen uns mehr standardisieren und professionalisieren. Wir rรผcken regelmรครŸig bei Veranstaltungen und Fachtagungen das Thema Mehrweg in das Zentrum der Aufmerksamkeit.

Ich erwarte keine 180 Grad-Wendung in einem halben Jahr, aber viele kleine Schritte, die vor allem konsequent durchgezogen werden, kรถnnen einen groรŸen Unterschied machen. Dafรผr brauchen wir mutige Unternehmen, technische Entwicklung, Anwender- und Verbraucher*innen, die mitziehen und eine Politik, die dem Ganzen einen rechtlichen Rahmen setzt. Dann kann Mehrweg zur Normalitรคt werden, und genau das ist unser Antrieb.

(Interview: Lotta Jahnke)


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LabNews: Biotech. Digital Health. Life Sciences. Pugnalom: Environmental News. Nature Conservation. Climate Change. augenauf.blog: Wir beobachten Missstรคnde
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